Heldenstellung
aufhalten.
»Besonders gut fand ich . . .« Weiter komme ich nicht, weil mich eine gelbe Kissenwurst mit voller Wucht an den Kopf trifft. Ich taumele nach hinten und sehe Error, der schon wieder mit dem Sitzpolster ausholt. Ich reiße die Arme hoch, um es abzuwehren, da trifft mich ein rotes Kissen in die Seite, dass mir die Luft wegbleibt. Neben mir steht Hari.
»Lass meine Tochter in Ruhe, du Scheißkerl!«, schreit er. Ich rappele mich auf. »Sina, wenn deine Prüfung vorbei ist, lass uns bitte noch einmal wie ganz normale Menschen darüber . . .«
In dem Moment wird es dunkel. Nicht richtig schwarz, aber ich kann nichts mehr sehen. Error hat mir eine der Baumwolldecken über den Kopf geworfen. Er hält mich im Klammergriff.
»Hilfe!«, rufe ich, bekomme stattdessen aber erneut ein Sitzkissen an den Kopf. Dann werde ich hochgehoben und geschultert, wahrscheinlich von Error. Ich höre, wie ein Teilnehmer lacht, ein anderer applaudiert. Nach und nach stimmen alle in den Applaus ein.
Haris Stimme sagt: »Sina, übernimm doch bitte kurz.« Dann verlassen wir erst den Yogaraum, dann das Studio. Draußen setzt Error mich ab. Er zieht die Decke herunter. Instinktiv gehe ich in Boxstellung. Vor mir stehen mein ehemaliger bester Freund und mein ehemaliger Yogalehrer. »Ich will dich hier nicht mehr sehen. Du hast Hausverbot!«, schimpft Hari. »Beim nächsten Mal rufe ich die Polizei.« Frustriert lasse ich die Hände sinken. »Error!«, sage ich und erzähle meinem Freund, wie der Videoabend ohne ihn verlaufen ist, berichte von meinem allergischen Schock und davon, wie Sina mich zurück ins Leben geholt hat. Ich sage ihm sogar, dass ich bei Sina im Bett geschlafen habe. »Aber es ist nichts gelaufen!«, ergänze ich. Error steht auf. »Ist das jetzt wieder so eine Notlüge? Wie die, dass du gar kein Berater bist? Ich habe dir gesagt, dass ich sie liebe«, ruft er. »Ist dir das egal?«
»Nein, das ist mir nicht egal«, antworte ich. »Aber Sina ist mir eben auch nicht egal. Wir können doch auch beide die gleiche Frau lieben. Das kommt doch öfter vor. Zum Beispiel bei Donald Duck und Gustav Gans.« Okay, ich bin doch angetrunken.
Hari räuspert sich.
»So war das jetzt nicht gemeint«, stelle ich richtig. »Error, du bist trotzdem mein Freund.«
»Sie wird die Prüfung mit ihm machen«, sagt Hari. Error schüttelt den Lockenkopf.
»Ich mochte dich lieber, als du nicht da warst«, sagt er und sammelt die Decke ein. Hari hält seinen Arm fest. »Ruhig, Error, atme tief ein, bis zu den unteren Rippenbögen.« Mit den Händen zeigt er Error, wohin der seinen Atem schicken soll.
»Was soll denn das jetzt?«, rufe ich. »Wir müssen doch nicht immer so ausgeglichen sein. Können wir uns nicht auch mal wie normale Menschen benehmen?«
Hari dreht sich um. »Die Normalität ist eine gepflasterte Straße. Man kann gut darauf gehen – doch es wachsen keine Blumen auf ihr«, sagt er.
»Das ist mir wurscht«, entgegne ich. »Auf Straßen wachsen nie Blumen. Die stehen immer am Wegesrand, wo man sie nicht gleich sieht!«
Hari neigt den Kopf, nimmt die Brille von der Nase, schaut hindurch und putzt sie kurz mit seinem Shirt. Dann kehrt sein unerschütterliches Lächeln auf seine Lippen zurück.
»Darüber muss ich mal meditieren«, entgegnet er, legt Error die Hand auf die Schulter und führt ihn zurück ins Yogastudio. Ich schaue die Mauer hinauf in Richtung Fenster. Für einen Moment meine ich dort Sina zu sehen. Doch ehe ich reagieren kann, ist sie verschwunden. Erschöpft sinke ich auf den kalten Oktoberboden. Aber eine Blasenentzündung wäre nun das kleinste meiner Probleme.
Keine Ahnung, wie lange ich dort sitze. Irgendwann kommen die ersten Teilnehmer aus dem Yogastudio und starren mich böse an. Ein paar kichern, die meisten aber schütteln nur abfällig den Kopf. An der Straße vor dem Yogacenter steht ein Taxi. Ohne Schild. Gerade will ich weitergehen, da steigt der Fahrer aus, rennt ums Auto herum und öffnet die Tür. Es ist Thomas.
»Dein Vater will dich sehen«, sagt er. Ich habe keine Kraft mehr, mich zu widersetzen. Erschöpft lasse ich mich auf den Rücksitz fallen. Auf der Fahrt in die Agentur erklärt mir Thomas, dass er sich Sorgen um mich gemacht habe. Ich sage kein Wort. Thomas redet drauflos, wahrscheinlich, um die schmerzhafte Stille zu übertönen. Er spricht von der Präsentation, dass sie so gut wie fertig sei. Ich nicke nur schwach und sehe aus dem Fenster, wo schließlich die
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