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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Eigenschaft, die das zarte Pflänzlein der Zuneigung zwischen ihnen erst so richtig düngte.
    Zu meiner Bestürzung war Lodaja nicht allein in dem kleinen Innenhof, zu dem mir die erschrockene Schwester den Weg gewiesen hatte. Waldur war bei ihr. Und weißt du, was das Erste ist, was er macht, als er mich sieht? Er reißt sich die Kleidung vom Leib und murmelt etwas von gerechten Vergleichen. Von wegen gerechter Vergleich. Als ob ich nicht eben erst eine geschlagene Stunde durch scheißkaltes Wasser geschwommen wäre.
    Jedenfalls fand Lodaja mein Erscheinen unglaublich komisch. »Du bist gerade noch rechtzeitig und doch zu spät«, erklärte sie mir, nachdem ich mich ihr vorgestellt hatte. »Waldur wollte gerade seine Wahl treffen. Du kannst nur hoffen, dass er danebenliegt.«
    Was sie damit meinte, war Folgendes: Sie hatte Waldur drei Dinge gezeigt, von denen er das aussuchen sollte, das für ihr Herz stand, um das er warb. Ein faustgroßes Stück Sandstein. Einen goldenen Becher, über und über mit Edelsteinen besetzt. Und eine Taube in einem Vogelzwinger. Eine alberne Prüfung, die sie gemeinsam mit ihrer Freundin ausgeheckt hatte. Um sicherzugehen, dass sie den richtigen Mann als Retter und Gatten wählten, wie Lodaja gern behauptete. Doch wenn du mich fragst, diente es nichts anderem als der Abschreckung und der Demütigung von Freiern. Sie konnte von Glück reden, dass wir beide – Waldur und auch ich – derart in Leidenschaft entbrannt waren, dass wir uns von ihr demütigen ließen. Das kommt nun einmal davon, wenn man seinem Gondull das Denken überlässt.
    Nun, Waldur schnappte sich gleich den Becher und fing an, etwas davon zu faseln, wie er dieses liebreizende Gefäß immerzu und für alle Zeit bis an den Rand mit seiner Liebe füllen würde. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als ihm Lodaja sagte, ihr Herz sei kein Nachttopf und er solle sein Wasser woanders abschlagen.
    Waldur hatte Pech. Und die falschen Dichter gelesen. Ich hingegen kannte meinen Stummen Barden in- und auswendig. Ich nahm statt des Kelchs den Stein, brach ihn auseinander, legte die Druse aus glitzernden Kristallen darin frei und sagte: »Schlag mein hartes Herz entzwei und aale dich im Licht, das im Dunkel wächst.«
    Während Waldur vor Wut bebte, griff Lodaja nach meinen Händen. »Du bist stattlich und belesen, doch das allein genügt nicht, dass ich mich dir gebe.« Sie zeigte hinauf zu einem der vielen Türme des Klosters, um den ein riesiger Schwarm Krähen kreiste. »Die Dienerinnen Krokas haben mich gelehrt, im Flug der heiligen Vögel den Lauf der Welt zu erahnen. Die Schwingen haben mir geweissagt, dass der Mann, dem ich mich schenke, mir ein Versprechen gibt.«
    »Alles«, entgegnete ich ihr, wie es Männer zu halten pflegen, wenn sie ohne einen Faden am Leib einer schönen Frau gegenüberstehen. »Ich verspreche dir alles.«
    »Hör dir erst an, was es ist«, rügte sie mich sanft. »Es wird ein Augenblick kommen, in dem ich meinen Auserwählten bitte, etwas zu tun, das seiner Natur zuwider ist. Auf mein Flehen hin wird er etwas an sich nehmen und vor seinen Feinden fliehen, wo er sie sonst in den Staub getreten hätte. Ich suche ein Geschöpf, das seltener ist als ein schwarzer Schwan. Ich suche einen aufrechten Helden, der den Mut in seiner Feigheit erkennt.«
    Waldur lachte mich sofort aus, weil ich länger als nur einen Wimpernschlag über Lodajas Forderung nachdachte. »Sie will dir den Beutel abschneiden, du Tölpel!«
    So war er eben. Er konnte nie das Gute in anderen sehen und rechnete in allem, was sie taten, stets nur mit einer Spiegelung seines eigenen selbstsüchtigen Wesens.
    Ich erwiderte Lodajas Blick und fand darin nichts als ehrliche Sorge, die nicht ihr selbst, sondern jemand anderem galt, von dem sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal wusste, wer es überhaupt war. Es war unvorstellbar lange her, dass ich einem Menschen wie ihr begegnet war, und sie gab mir den Glauben daran zurück, dass all unser Streben nicht umsonst ist, auch wenn nur die Stille Leere auf uns wartet. Ich kniete nieder und leistete den Eid, den sie von mir verlangte, und von da an waren wir eins.
    Kurz vermeinte Namakan, im dichten Qualm, der von der Feuerstätte emporquoll, das Gesicht seiner Ziehmutter zu erkennen, bis ein Windstoß es verwirbelte. »Hast du dein Versprechen an sie jemals eingelöst?«
    Dalarr drehte sich zu ihm um und musterte ihn aus blitzenden Augen. »Wieso fragst du? Willst du wissen, ob ich ein

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