Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
Vom Netzwerk:
stellen.
    »Es ist gesagt, was gesagt werden musste.« Dalarr lächelte, schüttelte die Arme aus und spähte erneut den Hang hinunter. »Ab jetzt zählen nur noch Taten.«
    Dann geschah etwas völlig Unerwartetes: Dalarr spurtete los, auf einen der Felsen in der Nähe zu, und brüllte dabei wie ein Stier.
    Ihr Untrennbaren, der Meister hat vor Trauer und Rachedurst den Verstand verloren! Namakan verwarf diese Einschätzung umgehend wieder, als sich ein menschlicher Schatten aus der Deckung des Felsens löste, um in weiten Sprüngen und mit wehendem Umhang die Flucht zum Grund des Tals anzutreten.
    Namakans Hand zuckte zum Griff des Jagddolchs an seinem Gürtel. Er zückte ihn und hetzte hinter Dalarr her.
    Der Fliehende strauchelte über einen Stein oder eine Wurzel, und obwohl er sich dank eines hektischen Ruderns mit den Armen rasch wieder fing, schloss Dalarr zu ihm auf. Er zog Swiputir, das kleinere seiner beiden Schwerter, und schleuderte es dem Lump nach.
    Ein Schrei hallte von den Hängen wider, aber der getroffene Lauscher, aus dessen Rücken die Klinge ragte, wankte gebückt weiter.
    »Dridd! Dridd! Dridd!«, hörte Namakan seinen Meister fluchen, der im Kampfesrausch in die Sprache seiner fernen Heimat verfiel.
    Dalarr machte einen weiten Satz und brachte seine Beute zu Fall, die irre kreischte. Im Gewirr der wirbelnden Schatten vermeinte Namakan zu erkennen, dass die Klinge dem Mann jetzt auf wundersame Weise nicht mehr aus dem Rücken, sondern aus dem Bauch spross.
    Das Kreischen dauerte indes nicht lange an: Als Namakan die Streitenden erreichte, hatte Dalarr seinem Gegner das Langschwert bereits unterhalb des Halses in die Brust gestoßen und spie dem Sterbenden geräuschvoll einen Batzen Rotz ins Gesicht.
    Namakan ließ das Messer sinken. Da war tatsächlich ein Anflug von Genugtuung in ihm, als er einen der Mörder hingemetzelt zu seinen Füßen liegen sah. Was sonst konnte dieser Kerl sein? Doch es war nicht seine einzige Regung. Was, wenn der Rest meines Lebens darin besteht, Männern wie dem hier beim Sterben zuzusehen?
    Die Dunkelheit, die Namakans Sicht einschränkte, schärfte seine anderen Sinne umso mehr. Er nahm alles in erschütternder Klarheit wahr. Das nasse Röcheln, das schwächer und schwächer wurde. Das satte Schmatzen und Knacken, als Dalarr sein Schwert freizerrte. Der kühle Nachtwind, der ihm durchs Haar strich. Der süßliche Gestank von Blut, vermischt mit der Schärfe vom Schweiß des Pferdes, das den Toten aus der Fremde hierher getragen hatte.
    Dalarr drehte den Toten auf die Seite, um auch sein Kurzschwert aus dem Leichnam zu ziehen. Er säuberte beide Klingen sorgfältig am Umhang des Erschlagenen und steckte sie weg, ehe er mit einem Ruck etwas vom Hals des Toten riss.
    »Es sieht so aus, als hätte ich viel verlernt«, murmelte er. »Früher wäre Swiputir diesem Kerl in den Nacken gefahren und er hätte keinen Schritt mehr gemacht.« Er seufzte. »Ich bin wirklich aus der Übung.«
    Namakan schauderte.
    Dalarr versetzte der Leiche einen leichten Tritt, und sie rollte ein Stück den Hang hinunter. »Und, Junge? Was glaubst du, wo er nun ist? Was glaubst du, was er verdient hat?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Namakan leise.
    »Genau«, gab Dalarr zurück. »Ganz genau.« Er musterte das Ding, das er dem Toten abgenommen hatte. Es glitzerte im Mondlicht. »Schau an …« Er pfiff durch die Zähne.
    »Was hast du da, Meister?«, fragte Namakan.
    Dalarr zeigte ihm, was er in der Hand hielt. Ein rundes Amulett aus Silber, durchzogen von weißen Skaldateinsprengseln. Das dünne Metall war in die Form eines Drachen gebracht worden, der sich in den eigenen Schwanz biss.
    »Als ob ich noch einen weiteren Beweis gebraucht hätte, in wessen Diensten die Mordbrenner standen«, knurrte Dalarr. »Arvid will, dass ich weiß, wer mir nach dem Leben trachtet.«
    Namakan warf verstohlen einen Blick über beide Schultern und fasste den Griff seines Messers fester. »War er allein?«
    »Ich gehe davon aus«, sagte Dalarr. »Die anderen haben ihn beim Gehöft zurückgelassen, damit er uns folgt.«
    »Aber warum?«, wunderte sich Namakan.
    »Weil Arvid wissen will, ob ich mich auf den Weg zu ihm mache.«
    Namakan runzelte die Stirn. »Wie erfährt er davon, indem er diesen Mann auf uns ansetzt?«
    »So.« Dalarr brach das Amulett in der Mitte auseinander. Aus den Bruchstellen lösten sich feine, leuchtende Nebelstreifen, die sich zu einem dicken Strang verflochten. Einen Wimpernschlag lang

Weitere Kostenlose Bücher