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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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waren Waffen und Rüstungsteile. Sie waren aus einem schwarzen Material gefertigt, das den schillernden Glanz einer Legierung aus Stahl und Skaldat besaß.
    »Leg deine rechte Hand aufs Herz«, befahl ihm Dalarr. Namakan fühlte, wie das Pochen in seiner Brust schneller und schneller wurde.
    »Mein Name ist Tegin Dalarr att Situr«, hob der große Mann in einem regelmäßigen Singsang an, nachdem er sich seines Wamses entledigt hatte. Silbriges Haar wucherte auf seiner Brust und verbarg die Linien und Wirbel, die ihm dort unter die Haut gestochen waren, beinahe völlig. »Das Talvolk nennt mich Kowal, den Schmied, und es ist mein Schüler Namakan aus ebendiesem Volk, der meinen Eid bezeugt. Meine Familie liegt in ihrem Blut, weil ich nachlässig gewesen bin. Meine Schuld ist schwer, und ich will sie tilgen.«
    Er bückte sich und nahm das erste Rüstungsteil, eine durch vernietete Lederriemen miteinander verbundene Kombination aus Rücken- und Brustplatte, deren Außenseiten dem Verlauf der Muskelstränge an seinem Rumpf nachempfunden waren. Während er sie sich überstreifte und ihren Sitz überprüfte, fuhr er fort. »Ich trage Hirtir Negg, ein Kind meiner Esse, auf dass es mein Herz vor Stößen und Stichen schützen möge, bis die gedungenen Mörder und ihr finsterer Herr den letzten Atemzug getan haben.«
    Es folgten zwei Schienen für die Oberarme, und Namakan beobachtete gebannt, wie sein Meister sie mit geschmeidigen Bewegungen anlegte. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass Dalarr sich gewiss nicht zum ersten Mal für eine Schlacht wappnete. »Ich trage die Musar Warnatir, Kinder meiner Esse, auf dass sie meine Hiebe lenken, bis die Köpfe meiner Feinde im Staub rollen.«
    Danach zog er die Wolle seiner Hosenbeine glatt und schnallte sich zwei weitere Schienen um die Schenkel. »Ich trage die Hortigur Drengar, Kinder meiner Esse, auf dass sie mir die Kraft verleihen, meine Feinde bis ans Ende der Welt zu hetzen.«
    Er hob ein Langschwert auf, zog es aus der Scheide und küsste die Klinge, die so breit wie Namakans Hand und oberhalb der Spitze mit einer Reihe garstiger Zacken versehen war. »Ich führe Blotuwakar, ein Kind meiner Esse, und gelobe, seinen brennenden Durst rasch zu stillen.«
    Er schwang das Schwert dreimal über seinem Haupt – so anmutig und mühelos, als wöge es nicht mehr als eine Handvoll Federn –, steckte es zurück in die Scheide und befestigte die Waffe an seinem Gürtel. Dann griff er nach dem zweiten Schwert, das wesentlich kürzer war. Hätte Dalarr den Knauf, der in einem spitzen Dorn endete, an seine Schulter angelegt, hätte die Spitze der schmalen, flachen Klinge kaum bis zum Handgelenk gereicht. Er küsste auch sie und sagte: »Ich führe Swiputir, ein Kind meiner Esse, und gelobe, es bald in feiges Fleisch zu versenken.«
    Namakan rechnete nun damit, dass sein Meister sich den letzten Gegenständen aus dem Bündel zuwenden würde. Es handelte sich um zwei Paar Waffen oder Werkzeuge, die er noch nie gesehen hatte. Bei dem kurzen Blick, den er darauf erhaschte, blieb in seiner Wahrnehmung nicht viel mehr hängen als das Bild kurzer Holzstiele mit großen Haken daran. Dalarr kümmerte sich jedoch nicht weiter um sie.
    Stattdessen stellte er sich so dicht vor Namakan, dass dieser das Metall des Brustpanzers riechen konnte, legte seinerseits die Hand auf die Brust und blickte seinem so viel kleineren Schüler tief in die Augen. »Ich schwöre, dass die Morde, die ich nicht zu vereiteln wusste, gesühnt werden. Ich werde nicht ruhen, bis das Unrecht, das mir und den meinen angetan wurde, vergolten ist. Vergolten durch die Schreie, wenn die Feinde meine Rache ereilt. Vergolten durch die Angst in ihren Augen, wenn sie mich nahen sehen. Vergolten durch das Blut, das sie vergießen werden. Vergolten durch ihre zu Staub zermalmten Knochen. Und wenn ich dafür die ganze Welt in Brand setzen und den Himmel einstürzen lassen muss. Denn ich bin Tegin Dalarr att Situr, und mein Wille ist ein dunkler Sturm.«
    Namakan wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, also schwieg er. Doch er spürte etwas, was er noch nie empfunden hatte, wenn er seinen Meister ansah: ein namenloses Grauen, wie wenn man beim Beerenpflücken vom Korb aufblickte und feststellte, dass sich unbemerkt ein Berglöwe herangepirscht hatte, der sich schon zum Sprung duckte. Er wird sie alle töten. Er wird die ganze Welt töten, wenn es sein muss. Nicht nur diesen bösen König. Alle. Alle, die sich ihm in den Weg

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