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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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war, verliefen auf dem faltigen, schlaffen Gewebe Linien, Spiralen und Kreise. Die Male, wie mit einem unglaublich feinen Pinsel aufgebracht, erstreckten sich bis zum Handgelenk hinunter.
    Sie sehen aus wie die Symbole der Sprache des Alten Geschlechts. Namakan fühlte sich in die Welt hinter der Welt zurückversetzt, die er durch einen Torbogen auf der Insel der Sterbenden Schwingen betreten hatte. Wie die Symbole, von denen die toten Tegin am ganzen Leib schwarz geworden sind.
    Die anderen Wanderer bemerkten die unheimliche Szene und näherten sich mit neugierigen Gesichtern.
    »Du hättest in der Totenhalle nicht nur Eisarn schelten sollen, Dalarr«, sagte Ammorna leise. »Ich habe dort auch etwas berührt.«
    »Dridd …« Dalarr hauchte das Schimpfwort beinahe zärtlich. »Ammorna, du dumme Gans. Du schrecklich dumme Gans …«
    »Was ist da?« Kjell packte mit ernster Miene Ammornas Handgelenk und drehte seine Amme zu sich herum. »Was ist das auf deinen Fingern?«
    »Das Gall Raun«, gab ihm Dalarr Antwort. »Das Gift, das unsere Geschichten auf unsere Haut schreibt, wenn wir uns entschließen, in der Totenhalle in die Stille Leere zu gehen.« Er sah Ammorna traurig an. »Du hast den Sporn auf einer der Liegen angefasst, nicht wahr?«
    Ammorna nickte.
    Kjell blickte verständnislos drein, aber er spürte wohl, dass er Ammorna nicht würde lange festhalten können, denn er ließ ihren Arm los.
    »Warum?«, fragte Dalarr. »Warum nur?«
    Die Kroka-Dienerin zog ihren Handschuh wieder an. »Der Sporn … ich musste an die Krallen der Gefiederten denken, als ich ihn sah. Ich war wie das Kind, das man vor dem heißen Ofen warnt. Das Kind, das sich dann doch verbrennt, weil es erst den Schmerz spüren muss, um zu begreifen.«
    »Und jetzt?« Nackte Angst schimmerte in Kjells Augen. »Was geschieht jetzt mit ihr?«
    »Sie geht in die Stille Leere«, sagte Dalarr tonlos. »Langsam, aber bald.«
    »Verflucht!« Eisarns haarige Pranke legte sich auf den Griff des Hammers an seinem Waffengürtel. »Ich würde den hier zurückgeben, wenn es dir helfen würde. Das schwöre ich dir.«
    Ammorna lächelte dem Zwerg kurz zu, dann schloss sie Kjell in die Arme. Der Graf ohne Land blieb stocksteif. »Mein Junge, es tut mir leid, dass ich dich nun in die Welt entlassen muss. Ich hätte gern gesehen, wie der Fluch von dir abfällt. Du weißt, wie es ist. Ich bin neugierig, wie alle Krähen. Zu neugierig sogar.« Ihr Krallenstab kratzte über die Bohlen der Plattform, als sie ihr Mündel aus ihrer festen Umarmung freigab. »Vergiss mich nicht.« Sie küsste ihn auf die Stirn und wandte sich von ihm ab, um auf die nächste Stiege nach unten zuzuschlurfen.
    »Halt!«, rief Kjell.
    Ammorna hörte nicht auf ihn.
    »Willst du sie weiter quälen?« Tschumilal legte Kjell die eine Hand auf die Brust, mit der anderen strich sie ihm übers Haar. »Siehst du nicht, dass sie gehen will? Dass sie gehen muss?«
    Kjell biss die Zähne zusammen, schob die Elfentochter beiseite und stapfte zum Rand der Plattform. Er packte das Geländer mit beiden Händen, als wollte er es ausreißen. Seine Schultern zuckten kurz, dann erschlafften sie. Er drehte sich um, die Fäuste geballt, und ging Ammorna nach.
    Dalarr stellte sich ihm in den Weg. »Wo willst du hin, Junge?«
    »Ich kann sie nicht einsam und allein sterben lassen«, sagte Kjell wild. »Das kann niemand von mir verlangen. Nicht einmal du. Nicht einmal sie. Und außerdem kann ich nicht in diesen Korb dort steigen. Es wird bald dunkel, und dem Falken werden meine Schreie nicht gefallen.«
    »Sorg dich nicht um den Falken«, warf Hok Gammal ein. »Mit Schreien wirst du ihn nicht erschrecken. Dafür hat er schon zu viele Schreie gehört.«
    »Lass mich vorbei«, knurrte Kjell.
    »Nein.« Dalarr packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. »Wach auf!« Er zeigte zu Tschumilal, die die Vorgänge stumm verfolgte. »Sie ist die Frau, die dich noch braucht. Nicht Ammorna.«
    Kjell machte einen Schritt nach vorn, und Dalarr stieß ihn zurück.
    Namakan nutzte das Handgemenge, um der Kroka-Dienerin nachzulaufen. »Warte, Ammorna, bitte warte.«
    Sie war bereits auf der Stiege angekommen, doch sie hielt inne und schaute zu ihm hoch. Ihr Gesicht hatte einen sonderbar belustigten Ausdruck. »Hast du dich so an mich gewöhnt, dass du mich umstimmen willst? Oder hast du noch eine deiner höflichen Fragen für mich, kleiner König?«
    Namakan schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. »Geh zurück zu

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