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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Gammal lächelte Morritbi an. »Habe ich mir für deinen Geschmack genügend Würmer aus der Nase gezogen, Rotschopf?«
    »Ja, feine, lange Würmer waren das«, sagte die Hexe.
    »Wo sind die anderen Falken?«, fragte Namakan, um sich von diesem unangenehmen Gedanken abzulenken. »Es sind viel zu wenige hier.«
    »Du hast ein gutes Auge für Nester«, lobte ihn Hok Gammal. »Nur die ältesten Vögel sind noch hier. Unser König braucht die anderen Falken in Kluvitfrost. Zum Angriff und um Truppen schnell von einer Stellung in die andere zu verlegen. Dass er die Falken so spät holen ließ, spricht nicht dafür, dass die Barbaren bald Ruhe geben.«
    »Der Falke hat nur einen Sattel«, wunderte sich Namakan. »Wie soll man mit ihm Truppen verlegen?« Und wo werden wir sitzen, wenn wir … Die verdrängte Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. »Fliegen! Wir werden fliegen!«
    »Ihr sitzt nicht auf dem Falken.« Hok Gammal grinste. »Ihr hängt unter ihm. Da drin.«
    Er zeigte auf eine Art übergroßen Korb aus ineinander verflochtenen Weidenruten, dessen zwei Schritt langer, gewölbter Griff aus demselben dunklen Holz war wie die Lenkstangen an der Falkenhaube. Namakan hatte kaum Zweifel, dass ein gewöhnlicher Mensch sich in diesem Korb zu voller Größe aufrichten konnte. Dennoch war das Gebilde offensichtlich leicht genug, dass ihn zwei Falkenreiter mühelos herbeischaffen konnten.
    »Das …« Morritbi stockte. »Das sieht ziemlich zerbrechlich aus.«
    »Ist es aber nicht«, sagte Hok Gammal bestimmt. »Nur etwas eng. Aber was einem Sechsertrupp Soldaten in vollem Harnisch recht ist, sollte euch doch billig sein.«
    »Wie wird der Korb denn festgebunden?«, wollte Namakan wissen.
    »Festgebunden?« Hok Gammal runzelte die Stirn. »Warum sollten wir etwas festbinden, das ein Falke in seinen Fängen genauso gut tragen kann?«
    »Das wird Eisarn gar nicht gefallen.« Morritbi rannte förmlich los, um erst dem Zwerg und dann Kjell und Tschumilal davon zu berichten, auf welche Weise sie ihre Reise denn nun genau fortsetzen würden.
    Dafür gesellte Dalarr sich zu ihnen, der bisher ungeduldig auf der Plattform auf und ab gelaufen war. »Wie lange wird es dauern, bis wir in Kluvitfrost sind?«
    »Wenn wir heute noch aufbrechen«, Hok Gammal wiegte den Kopf hin und her und schürzte die Lippen, »dann sollten wir morgen noch vor Sonnenuntergang dort sein.«
    »Gut. Sehr gut.« Dalarr nickte zufrieden. »Da ist noch etwas, worum ich dich bitten müsste. Keine große Sache.«
    »Nur heraus damit!«
    »Kannst du einen deiner Leute abstellen, um unsere Kutsche zurück nach Silvretsodra zu bringen?«, fragte Dalarr. »Sie gehört in den königlichen Fuhrpark. Ich habe sie nur geliehen, und ich würde es mir nicht verzeihen, wenn der Mann, der sie uns gegeben hat, wegen seiner Großzügigkeit Ärger bekäme. Am besten suchst du jemanden aus, dem du eine kleine Belohnung gönnst, denn du kannst sicher sein, dass das eine Fahrt wird, die er nicht so schnell vergisst.« Dalarr zwinkerte Namakan zu. »Die Macht des Drachen ist ungebrochen, nicht wahr?«
    »Mal sehen.« Hok Gammal rieb sich das Kinn. »Doch. Ja. Da fällt mir tatsächlich jemand ein. Dunga gibt sich immer so eine Mühe mit dem Ausmisten der Nester. Sie hat eine Aufmunterung verdient.«
    »Du wirst eine andere Aufmunterung für sie finden«, sagte Ammorna, die überraschend zu ihnen herangetreten war. »Ich bringe die Kutsche zurück.«
    »Was ist los?« Dalarr lachte auf. »Bist du etwa die erste Nebelkrähe, die Angst vorm Fliegen hat?«
    »Ach, alter Wanderer …«, entgegnete Ammorna kraftlos. Sie begann, ihren rechten Handschuh auszuziehen. Ihre Bewegungen wirkten abgehackt und schwächlich. »Ich werde bald auf anderen Schwingen fliegen, höher hinaus, als du dir vorstellen kannst.« Sie zeigte Dalarr ihre nackte Hand, und ein erstauntes Grauen befiel die Züge von Namakans Meister. »Viel höher.«

32
    Früher wünschte ich mir oft, meine toten Kameraden würden nach einer geschlagenen Schlacht wiederauferstehen.
    Bis Kluvitfrost. Danach betete ich immer dafür, dass sie auch ja in ihrem Blut liegenblieben.
    Ein Überlebender der Ersten Schlacht von Kluvitfrost
    Erst als Namakan sich auf die Zehenspitzen stellte, um einen besseren Blick auf Ammornas Finger zu erhaschen, sah er, was seinen Meister so bestürzte. Ausgehend von einem winzigen Punkt auf der Kuppe von Ammornas Zeigefinger, wo die Haut in einem schwarzen Knötchen angeschwollen

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