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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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setzte.
    Nur zwei Arten von Geräuschen waren zu vernehmen: Die heiseren Schreie fliegender Echsen, die die Spitze der Kuppel umschwärmten, und das sanfte Gemurmel einer Schar von Dienern in schlichten weißen Roben, die sich mit roten Tüchern die Augen verbunden hatten. Sie waren alle mit der gleichen Tätigkeit beschäftigt: Sie schälten an langen Tischen Früchte, behutsam und doch in geübten Bewegungen, die bewiesen, wie vertraut sie im Umgang mit dem stacheligen Obst waren. Wo sie die Haut vom Fleisch lösten, tropfte ihnen durchscheinender gelber Schleim von den Fingern, dessen modriger Geruch den gesamten Raum durchzog.
    Teriasch hatte eine Ahnung, wo diese Früchte geerntet wurden und dass sie jedem, der sie verzehrte, zu gleichen Teilen Kraft spendeten und das innerste Selbst zersetzten. Wer sie isst, lebt ewig, aber nur als Diener der Kreatur, die ihnen ihre Macht schenkt.
    Wenn eine ihrer Schüsseln mit Fruchtfleisch gefüllt war, trugen sie die Diener zu einem absonderlichen Konstrukt inmitten der Halle. Es hatte die Form eines jener Häuser, wie die Harten Menschen sie bauten, aber es war nicht aus Stein errichtet. Seine Eckpfosten und das Dach waren aus dunklem Holz, seine Wände jedoch aus hauchdünnem Pergament, sodass man dank des grellen Lichts im Innern fast durch sie hindurchsehen konnte. Die Diener mit den Schalen traten von hinten an das Haus heran, dann zeichneten sich kurz ihre verzerrten Schatten auf den Wänden ab, ehe sie es auch schon wieder verließen, um an ihre Tische zurückzukehren.
    Der Anblick, der Teriasch jedoch am meisten erschütterte, war im Grunde ein recht profaner: An einer Seite des Hauses standen der Pollox und seine Leibwächterin, die ihnen ruhig entgegensahen. Teriasch war schon bereit, den Drachenzahn aus der Schriftrollenhülle zu ziehen, aber das gefasste Verhalten seiner beiden Begleiterinnen färbte auf ihn ab. Er folgte Nesca und Carda, die unbeirrt auf das Haus zuschritten, ohne die Anwesenheit des hinterlistigen Verräters in irgendeiner Weise zu würdigen.
    Vor dem Haus ging Nesca auf die Knie. »Mein teuerster Vater, ich bin es, Julanesca Venustas Gramenita Ignissetta Nata Grandus.«
    Vielleicht täuschte Teriasch das Schattenspiel, doch das, was sich hinter der Wand aus Pergament bewegte, konnte kein Mensch mehr sein. Zu dürr waren die Arme, zu klauenhaft die Finger, zu aufgedunsen der Leib. »Du bist früh.« Die brüchige Stimme des Dominex klang zu hell, beinahe wie die eines Kindes, dem der Winterwind einen rauen Hals gekratzt hatte. »Es ist noch nicht der Tag, an dem sich unsere Thronbesteigung jährt. Wir haben noch kein Feuerwerk gesehen.«
    »Ihr habt recht, Vater. Ich bin zu früh.« Nesca hielt den Kopf gesenkt. »Aber ich sah keine andere Wahl, als Euch vor der Zeit mit meiner Anwesenheit zu belästigen. Man trachtet mir nach dem Leben, Vater, und ich erhoffe mir Euren Schutz. Denn nur Ihr könnt verhindern, dass der Mörder sein Ziel erreicht.« Sie deutete auf den Pollox. »Es ist dieser Mann, und nur Ihr könnt ihn von seinem Plan abbringen.«
    Der Pollox nahm die ungeheuerliche Anschuldigung mit einer Gelassenheit hin, die Teriasch einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Wenn überhaupt eine Regung in dem tiefen Seufzer lag, den er ausstieß, so war es leise Trauer.
    »Ich kann es bezeugen«, sagte Teriasch, um Nescas Worten Nachdruck zu verleihen. Er zeigte auf Carda, die ihn überrascht ansah. »Und sie kann es auch.«
    »Verzeiht meinem Sklaven, Vater«, bat Nesca rasch, während hinter ihr eine Bronzeschale auf den Marmorfliesen schepperte und die Diener hektisch zu tuscheln begannen. »Er ist ein Wilder, der bis vor Kurzem noch nackt um Feuer tanzte und Unzucht mit Tieren trieb. Höflichkeit ist ihm fremd.«
    Teriasch schnaubte verächtlich. Ist das ihr Dank für meine Hilfe? Beleidigungen?
    »Dir sei verziehen, mein Kind.« Die Schattenklaue des Dominex machte eine wegwerfende Geste. »Nie könnte ich einem so liebreizenden Geschöpf wie dir das fragwürdige Gebaren deines Gesindes vorhalten. Und was deine Bitte um Schutz angeht, so lass dir gesagt sein, dass uns unser lieber Kontentio bereits alles gestanden hat.«
    »Was?«, hauchte Nesca.
    Diese Schlange! Teriasch ballte die Fäuste, weil sein Zorn in ihm zuckte wie ein schlafender Bär, dem man einmal zu viel den Stock in die Seite gestoßen hatte.
    Der Pollox trat vor und verneigte sich vor Nesca, eine Hand unter den Schulterumhang geschoben. »Ich bereue es aus tiefstem

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