Heldenzorn: Roman (German Edition)
klar. Es herrscht Aufruhr in meinem Haus, in dem alle Häuser sind. Zu viele Sklaven haben vorschnell die Freiheit erhalten, freigekauft von wohlmeinenden Träumern, die nicht verstehen, worauf das Fundament unseres Hauses ruht. Die Türme, die für die Ewigkeit gebaut sind, sind ins Wanken geraten.« Er ächzte, ein merkwürdig trockener, schmerzerfüllter Laut. »Meine nicht, dass wir dich nicht lieben, mein Kind. Meine nicht, wir hätten vergessen, wie viel Freude du uns geschenkt hast, wenn du zu uns kamst, um für uns zu tanzen oder aus einem der Bücher zu lesen, die du gefunden hast. Meine nicht, dass wir dich nicht vermissen werden. Denn das werden wir. Sind wir dir nicht immer mit Liebe begegnet? Und findest du in dir nicht die Kraft und den Mut, es uns jetzt gleichzutun? Fürchtest du den Tod denn wirklich mehr, als uns in Trauer um unser eingestürztes Haus zu sehen? Kannst du nicht das tun, was du tun musst, damit das Haus Bestand haben kann? Aus Liebe zu uns?« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern flüsterte: »Kontentio, tu es in Liebe …«
Der Pollox hielt plötzlich einen kurzen Stoßdolch in der Hand, hervorgezogen aus einer verborgenen Scheide unter seinem Umhang. Die schmale Klinge glänzte in unschuldiger Schönheit, Tränen standen in den weit aufgerissenen Augen des Pollox. »Legt den Kopf zurück und rührt Euch nicht, Pupula«, flüsterte er. »Ein schneller Stich ins Auge nur, Pupula. Es wird nicht wehtun, ich gebe Euch mein Wort.«
Genug! Teriasch stellte sich zwischen den Pollox und Nesca, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt. »Ist es nicht Zeit, dich an deine Eide zu erinnern?«, fragte er Carda.
Die Scharlachrote Rose machte einen Schritt über ihre am Boden kauernde Schutzbefohlene und suchte den Blick ihrer Ordensschwester. »Eine Liebe, ein Blut, ein Schmerz.«
»Eine Liebe, ein Blut, ein Schmerz«, entgegnete Diantis, griff nach ihrem Streitkolben und packte den Pollox an der Schulter, um ihn hinter sich zu ziehen.
Es war der Augenblick, in dem Teriasch begriff, dass es keine Hoffnung gab, dem Wahnsinn der Harten Menschen noch Grenzen zu setzen. Er machte den Ordenskriegerinnen Platz, die einander zu umkreisen begannen, die Waffen erhoben, jede auf den Moment lauernd, in dem die andere den ersten Schlag setzte. Mit aus Zorn und Entsetzen gleichermaßen gewonnener Kraft riss er Nesca auf die Beine. »Wir müssen raus hier!«
Sie leistete ihm nicht den geringsten Widerstand, als er sie in Richtung eines der Torbögen am Rand der Halle zerrte. »Vater, Vater, Vater«, wisperte sie nur immer wieder.
Der Dominex in seinem Haus heulte und tobte. »Ihr sollt Euch lieben! Ihr sollt Euch lieben!«
Die blinden Diener stolperten vor Hast schier übereinander, warfen die Tische und Schalen mit den widerwärtigen Früchten um, als sie die Flucht zur Wendeltreppe antraten. »Zu Hilfe! Die Löwen! Zu Hilfe!«, gellten ihre verzweifelten Schreie durch das Gewölbe.
Krachend schlug ein Streitkolben gegen eine Brustplatte, ohne dass Teriasch gewusst hätte, welche der Leibwächterinnen den Treffer gelandet hatte. Er rannte einfach weiter, einen Arm um Nesca, durch den Torbogen, hinaus auf die Terrasse, die sich rings um die Halle erstreckte. Vom sternengesprenkelten Himmel erklangen die ersten aufgeregten Rufe der Echsenreiter, die ihre Tiere nah genug an der Kuppel vorbeilenkten, um den Tumult dort zu sehen.
»Pupula!« Der Pollox war keine zehn Schritte hinter ihnen, das Gesicht tränenüberströmt, den Dolch mit beiden Händen gepackt. »Ihr müsst es tun. Für Euren Vater. Für das Dominum. Seid nicht selbstsüchtig, ich flehe Euch an.«
Nesca versteifte sich in Teriaschs Griff und versetzte ihm einen überraschenden Stoß, der ihn um ein Haar zu Boden geschickt hätte. »Selbstsüchtig?« Sie wirbelte zum Pollox herum. »Bin ich ein Schaf, dass ich mich von dir einfach so zur Schlachtbank treiben lasse?« Mit einem grimmigen Lachen schüttelte sie die Arme, und einen Wimpernschlag später befanden sich zwei geflammte Dolchklingen in ihren Händen. »Dieses Schaf hier will wenigstens vorher eine Runde mit seinem Schlachter tanzen!«
Vergib mir, dass ich dir nicht beistehen kann! Noch nicht! Teriasch hatte zwar sein Gleichgewicht wiedergefunden, doch er mischte sich nicht in den Kampf ein. Er riss die Schriftrollenhülle auf und kippte sie. Sirrend glitt der Drachenzahn aus seinem behelfsmäßigen Schutz. Teriasch packte ihn mit der Linken und stieß sich die Spitze in die
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