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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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bellen.
    Es rauschte, und aus den Augenwinkeln nahm er einen großen Schatten wahr. Der vorderste Löwengardist, der aus einem der Torbögen auf die Terrasse hetzte, wurde von der Schwinge der landenden Echse halb enthauptet. Er fiel seinen hinter ihm laufenden Kameraden tot vor die Füße, brachte sie ins Stolpern. Der tote Reiter des Reptils rutschte hin und her, fast wie wenn er doch noch lebendig wäre, als die Echse mit dem spitzen Schnabel nach den Gardisten stocherte. Einer Frau durchbohrte sie den Hals, einen anderen traf sie mitten ins Gesicht.
    »Komm!« Teriasch zog Nesca von der Balustrade weg, an der sie immer noch stand, die Arme herabgesunken, die Haut bleich wie ein Leichentuch. »Schnell!«
    Der massige Leib der Echse versperrte gleich zwei Torbögen, aber es würde trotzdem nicht lange dauern, bis einige der Gardisten ihren Schrecken überwanden und auf den Einfall kamen, durch eine der vielen anderen Öffnungen zu treten und ihren Feind so zu umzingeln. Bis dahin müssen wir in der Luft sein! Teriasch konnte selbst nicht glauben, was er da dachte. Er ließ sich rein von seinen Instinkten leiten, sosehr sein alter Freund, der Zorn, auch danach trachtete, die Beherrschung über sein Handeln zu übernehmen. Er rannte zu der Echse, zerrte an dem toten Reiter und stellte fest, dass er mit Riemen und Schnallen um die Oberschenkel an den Sattel gebunden war. Nescas Dolche! Er verwarf den Gedanken sofort wieder, weil keine Zeit war, die Halterungen zu durchtrennen. Stattdessen schob er sich den Drachenzahn so gut es ging in den Gürtel, stieg hinter der Leiche auf und schloss sie in eine makabre Umarmung. Er spürte das gebrochene Rückgrat durch den Stoff der Tunika gegen seine Brust scheuern. Die schreckliche Empfindung wurde dadurch gemildert, dass nun auch Nesca auf die Echse kletterte und sich ihrerseits von hinten an ihn klammerte. »Halt dich fest!«
    Teriasch hatte auf vielen bockigen Pferden gesessen, doch keines von ihnen besaß die urwüchsige Kraft dieses Reptils, in das Schwarzschwinges Willen eingefahren war. Das Tier stieß noch ein letztes Mal den Schnabel in Richtung der Löwengardisten, dann krabbelte es so ungelenk, wie sich seine Art nun einmal am Boden bewegte, auf die Balustrade zu. Mit einem schrillen Schrei wuchtete es sich darüber hinweg, rutschte ein kurzes Stück das Dach hinunter und stieß sich von ihm ab. Teriasch hatte das Gefühl, in einen Abgrund hineinzustürzen, und auch aus seinem Mund löste sich ein Schrei. Ich fliege! Ich fliege!
    Tief unter ihnen läuteten in allen Schreinen Kalvakorums die Glocken. Mitternacht. Der Tag der Thronbesteigungsfeier hatte begonnen.

23

     
Den Hufschlag der Pferde,
vergiss, vergiss.
Dein Jubeln und Klagen,
vergiss, vergiss.
Dein Bangen und Wagen,
vergiss, vergiss.
Deinen Weg in die Erde,
vergiss, vergiss.
Aus einem Wiegenlied der Kinder der Weite
     
    Der Wind zerrte an Teriaschs Zöpfen, und erst dachte er, es würde helfen, die Augen geschlossen zu halten. Da dies den Schwindel, der seinen gesamten Körper umherzuwirbeln schien wie einen Kreisel, nur umso schlimmer machte, riss er sie bald wieder auf.
    Die letzten Glockenschläge waren noch nicht verklungen, da setzten die ersten dumpfen Schläge des Feuerwerks ein. Unter ihnen in den Herrschaftlichen Gärten erblühten Blumen aus bunten Flammen, doch sie stiegen nicht in den Himmel auf. Atemlos sah Teriasch zu, wie sich von den Holzgestellen, die die Feuerwerker schon Tage zuvor errichtet hatten, mehr und mehr Brände auszubreiten begannen, in Farben, in denen ein gewöhnlicher Brand auf der Steppe nie gelodert hätte. Grün, blau, purpur – überall sprossen sie aus dem Boden, fanden reichhaltige Nahrung, angefacht vom Wind. Auf den Wegen. In den Hecken. Um das gläserne Haus, in dem die verderbten Früchte geerntet wurden, die dem Dominex seine lange Existenz als Sklave des Wurms der alles umschlingenden Liebe gesichert hatten. In den Lichtblitzen, die mit jedem neuen Knall verbunden waren, sah Teriasch loses Erdreich umherspritzen und kleine Krater wie rauchende Pockennarben. Ist das der Zweck des Feuerwerks? Die Gärten zu zerstören, damit sie neu angelegt werden? Dagegen sprachen die kopflos inmitten der Sprengungen umherirrenden Halblinge, die sich verhielten, als wären sie Ameisen, deren Bau von einer Leimzunge aufgebrochen worden war.
    Ein jäher Schrei der Echse und ein heftiges Zucken, das durch ihren Leib ging, lenkte Teriaschs Aufmerksamkeit weg von den Ereignissen am

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