Heldenzorn: Roman (German Edition)
Vermögen einzutreiben, nachdem du mir eben schon ein großes aus den Rippen geschnitten hast.«
»Nicht so hastig.« Spuo deutete mit dem Daumen auf Teriasch. »Der da drüben, der so lustig die Lauscher aufsperrt, den würde ich als Einzelstück verhökern.«
»So?« Varia hob die Augenbrauen. »Er sieht mir überhaupt nicht anders aus als die anderen.« Sie lächelte und tippte Spuo auf den Brustpanzer. »Oder kann der Kleine etwas ganz Besonderes, womit er dich in den kalten Nächten auf der Steppe warm gehalten hat?«
»Er spricht unsere Sprache«, sagte Spuo knapp.
»Nein!«
»Doch.«
»Was für eine wunderbare Überraschung!« Varia klatschte in die Hände. »Ich liebe meine Arbeit …«
»Edle Damen, werte Herren«, wandte sich Varia mit einer tiefen Verbeugung an die Menge, die vor dem Podest versammelt war. »Ich sehe die Spannung auf euren Gesichtern, und ihr tragt sie zu Recht. Euch erwartet Ware, wie sie frischer nicht sein könnte. Eben noch auf der Steppe, jetzt schon hier in Kalvakorum. Und ihr habt noch größeren Anlass zur Freude. Ich habe einen Wilden im Angebot, wie man ihn nur selten findet.«
Einer von Varias Helfern stieß Teriasch die vier Stufen zur Bühne hinauf. Er erkannte die Art der Blicke wieder, die auf ihn fielen. Der Fette mit dem kleinen Hund unter dem Arm schaut mich an wie jemand, der sich fragt, ob ich die richtige Sorte Holzperle bin, die er auf seine Satteldecke sticken kann. Für die Kriegerin da in dem rosenverzierten Panzer bin ich das Pferd, bei dem man sich nicht sicher ist, ob es wirklich so schnell läuft, wie man denkt. Der Alte, dem der Bart weiß wird, meint, ich wäre nichts, was ihm nicht schon einmal untergekommen wäre, weil er sogar schon Schlangen mit zwei Hälsen Eier hat legen sehen.
Varia zog unter den Rüschen ihres Kleids einen dünnen Stab hervor, der die Farbe und Beschaffenheit von ausgebleichtem Gebein hatte. Sie klopfte mit seiner Spitze auf Teriaschs Brustkorb. »Achtet besonders auf die ungewöhnlichen Hautbilder. Kreise über dem Herzen. Unter den Wilden ein stolzes Zeichen für unerschütterliche Mannbarkeit.«
»Pah, feuchter Dung!«, murrte der bärtige Alte. »Mentiros hat neulich einen Kerl mit solchen Kreisen verkauft. Bei ihm waren sie ein Symbol für einen guten Bogenschützen.«
»Ach ja?« Varia stemmte die Arme in die Hüften. »Mentiros würde dir aber auch erzählen, zu viele Hände seien bei der Arbeit hinderlich, wenn er dir einen Einarmigen andrehen will.«
Zwei, drei Leute lachten, und selbst der Alte konnte sich ein mürrisches Grinsen nicht verkneifen.
»Was schert mich das Gekritzel auf seiner Haut?«, rief die Rosenkriegerin. »Ich will wissen, wie gehorsam er ist. Ich kann keinen Knecht brauchen, der mir heimlich Glasscherben in die Stiefel steckt.«
»Er ist sehr gehorsam«, sagte Varia hastig. »Äußerst gehorsam sogar.« Ihr Stab vollführte einen kurzen Wirbel vor Teriaschs Gesicht. »Dreh dich, mein Junge! Komm, dreh dich!«
Teriaschs lange verdrängter Zorn regte sich zaghaft, und er grub die Nägel in seine Handballen. Drehen? Ich kann dir gerne die Gurgel umdrehen, du irres Weib! Was ihn davon abhielt, waren die vielen Mahnungen, die Arka an ihn gerichtet hatte. Er knirschte mit den Zähnen, aber er drehte sich einmal um die eigene Achse.
»Seht ihr?«, jauchzte Varia. »Ein wahres Sinnbild der Folgsamkeit. Und was für stramme Waden!« Sie zwinkerte dem Fetten zu, dessen Hündchen ihm unablässig die schweißigen Falten am Hals leckte. »Wäre das nicht etwas für dich, Sudatrix? So einen hast du doch bestimmt noch nicht in deiner Sammlung?«
»Er ist nicht makellos«, quengelte Sudatrix. Ein puderüberzogener Wurstfinger richtete sich auf Teriasch. »Da. An seiner Schulter. Das ist eine Narbe, oder? Oder ist es ein Muttermal? Auf jeden Fall ist es hässlich.«
»Natürlich ist er nicht makellos«, entgegnete Varia entrüstet. »Er ist ja immer noch ein Wilder.« Sie schüttelte den Kopf. »Und dass ihr immer alles an Äußerlichkeiten festmachen müsst. Habt ihr euch mal eine Auster näher betrachtet? Nicht unbedingt eine Schönheit, doch das, was man bisweilen darin findet, ist unvorstellbar kostbar.«
»Willst du etwa sagen, wir müssen ihn aufschneiden, damit wir begreifen, was er wert ist?«, spottete die Rosenkriegerin, und diesmal war sie es, die die Lacher auf ihrer Seite hatte.
Varia wartete geduldig, bis das Gelächter verklungen war. »Dieser Wilde«, sagte sie dann so ernst, dass ihr
Weitere Kostenlose Bücher