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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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vergesse das immer wieder.«
    »Was?«
    »Wie lang euch eine Zeit vorkommen kann, die für mich sehr kurz ist.«
    Teriasch hätte seinem Ärger gern noch weiter Luft gemacht, doch er ahnte, wie wenig das genutzt hätte. Er ist ein Geist. Das hat er selbst gesagt. Und für Geister hat Zeit nicht die gleiche Bedeutung. Sie wissen nicht, was Zeit ist. Er setzte sich. »Dann kommt der richtige Augenblick erst noch?«
    »O ja.« Fulmar nickte. »Zudem hast du die andere Hälfte meines Ratschlags nicht bedacht. Du musst lernen, damit umzugehen, was es heißt, ein Tendra Megun Romur zu sein. Dann wirst du den Augenblick erkennen, sobald er gekommen ist. Du wirst …«
    »Was ist das nur für ein scheußliches Gesinge, in dem ihr euch da unterhaltet?« Rukabo war unvermittelt am Tisch aufgetaucht, eine Schüssel Zwiebelkäse in der Hand. »Das pfeift einem ja richtig in den Ohren.«
    »Wer ist das?«, fragte Fulmar irritiert.
    »Mein Zellengenosse«, antwortete Teriasch.
    »Und Lebensretter«, ergänzte Rukabo und biss genüsslich in ein Bällchen Käse, das er aus der Schüssel fischte. »Zweimalig, wenn wir heute Nacht mitzählen.« Er sprach mit vollem Mund weiter. »Und außerdem bin ich schlau genug, um zu wissen, dass du kein Chronist bist.«
    »So?« Fulmar verschränkte die Arme vor der Brust, lächelte aber dabei.
    »Ich verzeihe dir die Laute«, sagte Rukabo und quetschte sich neben Teriasch auf die Bank. »Ich will ja nicht ausschließen, dass es Chronisten gibt, die nebenbei musizieren oder zu ihren Versen singen, wie es früher Sitte war. Aber ich sehe an dir keine Bücher, keine Tafeln, keine Federn, keine Griffel. Und vor allem …« An Rukabos winkenden Fingern klebten kleine weiße Bröckchen. »Vor allem sehe ich auf deinen Fingern keinen einzigen Tintenfleck. Also bist du ungefähr so viel Chronist, wie ich ein ehrlicher Kaufmann bin.«
    »Ich könnte beim Schreiben Handschuhe tragen«, wandte Fulmar ein. »Oder ich brauche nicht aufzuschreiben, was mir die Leute so erzählen, weil ich mir jedes einzelne Wort einpräge.«
    »Eine Chronik, die man im Kopf spazieren trägt, ist keine echte Chronik«, entgegnete Rukabo und verspeiste den nächsten Happen Käse. »Echte Chroniken sind für die Ewigkeit. Die in deinem Kopf geht verloren, sobald du verloren gehst, wenn die Bleiche Dame dich küsst.«
    »Dazu wird es so schnell nicht kommen«, versicherte Fulmar dem Halbling. »Sie und ich haben unsere eigenen Abmachungen getroffen, wenn man so will.«
    »Er ist ein Geist«, ließ Teriasch seinen Freund wissen. Während der röchelnd hustete, weil er sich an seinem Käse verschluckte, fragte Teriasch den unerwarteten Besucher, der ihm gegenübersaß: »Warum bist du hier?«
    »Um Geschichten zu sammeln«, antwortete Fulmar frei heraus. »Und ich habe hier schon ein paar erstaunliche gefunden.« Er drehte den Kopf zu einem sehnigen Mann mit schwarzer Haut ein paar Tische weiter, der seinen Teller von sich geschoben hatte und in einem ledergebundenen Büchlein blätterte. »Wusstest du, dass es Dropaxvirs größter Wunsch ist, eines Tages die Rolle des Helden in einem Königsdrama des Stummen Barden zu spielen?« Er deutete auf eine untersetzte Frau, in deren Hauer im Unterkiefer funkelnde Rubinsplitter eingelassen waren. »Dass bei Kutifulvas Volk die Heiler den höchsten Respekt genießen, obwohl man den Norgern für gewöhnlich nachsagt, sie liebten nur das Leid und die Verwüstung? Und dass sie eine Heilerin war, bevor sie ein Sklavenjäger in Orkistan gefangen und Silicis sie gekauft hat?« Sein Blick schweifte zu einem weiteren Arenistus in der Nähe, der in ein gemurmeltes Gebet an seine fernen Götter versunken war. »Oder dass Stellio sich die Narben, die ihn wie eine Echse aussehen lassen, tatsächlich mit den Zähnen einer seiner Ahninnen geritzt hat, wie es bei seinem Stamm Brauch ist?«
    »Du bist nicht ihretwegen hier«, sagte Teriasch ruhig. Wir wissen beide, was dich hierhergebracht hat, nicht wahr?
    Rukabo hielt sich erschöpft vom Husten den Bauch. »Du bist nicht wirklich ein Geist, oder?«
    »Nein, bin ich nicht.« Fulmar griff über den Tisch nach der Käseschüssel. »Auch wenn unser gemeinsamer Freund Teriasch das nicht einsehen will. Ich bin nur ein Mann, der Geschichten sammelt.«
    »Willst du eine wirklich traurige Geschichte hören?« Rukabo richtete sich ächzend auf und gab Fulmar gar nicht erst die Gelegenheit, sein Angebot abzulehnen. »Pass auf. Sie handelt von einem zu Unrecht

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