Heldenzorn: Roman (German Edition)
Marmorboden emporzuwachsen und ihre schlanke Statur zu umschmeicheln wie Stein, der das Fließen gelernt hatte. Ihr feuerrotes Haar leuchtete im Dämmerlicht.
Er ging auf sie zu, glatte Kälte unter den nackten Sohlen, und mit jedem Schritt fühlte er sich leichter und freier.
Sie lächelte, breitete die Arme aus, lud ihn ein, sich in ihr zu verlieren.
Als er sie erreichte, hielt er sie umschlungen, und sie hielt ihn umschlungen, Wange an Wange. Ihre Haut war kühl. Er roch an ihrem Haar, weil er hoffte, dort den Duft der Steppe wiederzufinden, und schreckte zurück. Sie stank nach Moder und Fäulnis. Er wollte sich ihrer Umarmung entziehen, doch sie ließ es nicht zu.
»Liebe uns«, raunte sie an seinem Ohr mit einer Stimme, als würde das Mahlen und Knirschen unzähliger Zähne mühsam Worte formen. »Lösch dein Feuer und liebe uns.«
Er spürte nasse Würmer über seine Haut kriechen und den Boden unter sich nachgeben, als wäre er in Treibsand geraten. Als er bis zu den Knöcheln darin versank, begann er zu schreien.
Das Kollare um seinen Hals glühte.
Sie packte ihn fester, drückte ihn nach unten. Ihr Kleid platzte entlang ihres gesamten Rumpfs auf, und aus den Rissen wanden sich Arme um seinen Leib, die wie gehäutete Schlangen waren.
Er roch verbranntes Fleisch, dann stimmte sie in seinen Schrei ein.
Ihr panisches Gebrüll klang Teriasch noch in den Ohren, als Rukabo ihn längst wachgerüttelt hatte.
8
Die kluge Mischerin sollte eines nie vergessen: Das Gebot der Reinheit aller Stoffe beschränkt sich nicht nur auf die Ebene des Tatsächlichen. Es gilt umso mehr für die Ebene des Übertragenen.
Wer sich zwielichtiger Gesellen bedient, um in den Besitz seltener Stoffe zu gelangen, läuft deshalb stets Gefahr, am Ende mit leeren Händen da zu stehen. Denn ich zumindest bin noch keinem Dieb begegnet, dessen Finger es verdient hätten, allen Ernstes als rein bezeichnet zu werden.
Aus den Betrachtungen der Alchimistin Admirabilia Nomosofus über die Eigenheiten der Sorgsamen Kunst
An einem gewöhnlichen Morgen wäre Rukabo schnell die Treppen hinuntergestiegen, um zur Quelle des verlockenden Dufts von frischem Brot, sauer eingelegten Eiern und Zwiebelkäse zu gelangen. Er wäre Teriasch fröhlich pfeifend vorangeeilt, um als Erster in den Saal zu kommen, in dem Silicis’ Sklaven gemeinsam ihre Mahlzeiten einnahmen. Aber heute pfeift er nicht. Und er geht noch langsamer als ich, damit er in meinem Rücken bleiben kann.
Teriasch blieb stehen, eine Hand am Geländer. Rukabo hielt zwei Stufen Abstand zu ihm. Teriasch schaute über die Schulter zu dem Halbling, der nun fast auf Augenhöhe mit ihm war. In Rukabos Blick lag etwas Misstrauisches, wie bei einem Schakal, der auf den unversehrten Kadaver eines Büffels gestoßen war und sich darüber wunderte, dass kein größerer Räuber in Sicht war, der Anspruch auf das Aas erhob. »Was stimmt mit mir nicht?«, fragte Teriasch.
»Das hier.« Rukabo zeigte ihm seine linke Handfläche, auf der zwischen Daumen und Zeigefinger eine große Brandblase prangte. »Die habe ich mir an dir geholt. Letzte Nacht, als ich dich gerüttelt habe.«
»An mir?« Teriasch drehte sich um. Er sieht nicht so aus, als ob er einen seiner albernen Scherze macht.
»An deinem Kollare, um genau zu sein. Und ich habe vorhin, während du austreten warst, dein Kissen kontrolliert.« Rukabo wich eine Stufe vor Teriasch zurück. »Der Stoff war angesengt. Wie erklärst du dir das?«
»Ich hatte einen Albtraum«, sagte Teriasch. »In dem hat mein Kollare auch geglüht.«
Rukabo stutzte. »Und?«
»Mein Traum muss in die wache Welt hineingereicht haben.« Teriasch fiel ein, dass Rukabo ein Harter Mensch war – ein kleiner Harter Mensch, aber eben immer noch ein Harter Mensch, und die Harten Menschen zogen gern feste Grenzen, wo keine festen Grenzen waren. »Geschieht so etwas unter euch nicht?«
»Was?«
»Dass jemand träumt, er könne fliegen, und findet dann am Morgen Federn auf seinem Nachtlager? Oder dass jemand im Schlaf in einer fremden Sprache spricht und von einer Reise in ein unbekanntes Land erzählt, sobald er wieder aufgewacht ist?«
»Bei meinen Nüssen!«, entfuhr es Rukabo entsetzt. »Ihr Wilden zaubert im Schlaf?«
»Das ist keine Zauberei«, gab Teriasch überrascht zurück. »Das ist nur der Weg der Welt.«
»Der Neunfingrige steh mir bei!« Rukabo wurde blass. »Sagst du mir gerade, dass du am Ende zu brennen angefangen hättest, wenn ich dich nicht
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