Heldenzorn: Roman (German Edition)
gebaut ist, um mir jetzt in dieser Gasse ein Messer zwischen die Rippen jagen zu lassen.
»Sei doch nicht so bockig.« Rukabo schritt stolz in die Gasse hinein. »Es ist wichtig für einen guten Arenistus, sich Zeit für seine Bewunderer zu nehmen.« Er verbeugte sich. »Rukabo der Name. Auch bekannt als der Kater von Kalvakorum, wenn ich das bei aller Bescheidenheit anmerken darf.«
Der Vermummte ignorierte den Halbling. Sein Blick blieb starr auf Teriasch geheftet, als er sich das Tuch vom Gesicht schob und die Kapuze zurückschlug.
Nein! Sie! Teriasch öffnete den Mund, doch alles, was er zustande brachte, war ein verblüfftes Ächzen. Der Vermummte war kein Mann. Er war eine Frau. Noch dazu nicht irgendeine. Wer ihn da aus der Gasse heranwinkte, war niemand anderes als die rothaarige Frau, die Teriasch im Traum erschienen war. Die Tochter des Dominex aus der Arena, deren dunkle Haut und mandelförmige Augen ihr den Anschein einer Steppenbewohnerin verliehen.
Teriasch war nicht der Einzige, den diese Enthüllung überraschte. »Hoheit!«, entfuhr es Rukabo schrill. »Wenn ich das geahnt hätte! Verzeiht mein ungebührliches Betragen von eben.« Er verbeugte sich ein weiteres Mal, tief genug, dass er fast vornübergekippt wäre und sich nur durch einen flinken Griff nach Cardas Mantelsaum vor einem Sturz bewahren konnte. »Ihr seid noch liebreizender, als ich es schon aus der Ferne bestaunen durfte.«
»Finger weg!«, knurrte Carda.
Rukabo ließ seine Hand zurückzucken, als hätte er eine heiße Herdplatte angefasst. »Dann bist du …« Er griff sich an die Brust und starrte die Kahlköpfige ehrfürchtig an. »Dann musst du eine Scharlachrote Rose sein.«
»Genau.« Carda nickte. »Und alles, was man sich über uns erzählt, ist wahr. Wir kennen mehr Wege, einen Menschen vom Leben zum Tode zu befördern, als eine Rose Dornen hat. Also benimm dich gefälligst.«
»Ich schwöre, dass ich keine Gefahr für die Herrschaftliche Hoheit darstelle«, winselte Rukabo. »Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist. Und wenn dir das nicht genügt, schwöre ich es bei meinen Nüssen.«
»Warum weigert sich dein Freund, den Wünschen Ihrer Hoheit Folge zu leisten?«, fragte Carda kühl.
Rukabo wirbelte zu Teriasch herum. »Kommst du wohl her, du Trottel!«
Teriasch blieb, wo er war, zu erschüttert von der Begegnung, die er unmöglich als einfachen Zufall abtun konnte. Er sah die verlogenen, boshaften Schicksalsgeister dieses Landes förmlich vor sich, wie sie darüber kicherten, welche beiden Fäden sie gerade miteinander verwoben.
»Er ist eben stolz.« Die Tochter des Dominex lächelte. »Ein echter Häuptling der Steppe.«
Es war ihr Lächeln, das ihn letztlich dazu verleitete, ihrer Aufforderung nachzukommen und in die Gasse zu treten. Ein Lächeln auf einem Gesicht, das denen seiner liebsten Menschen so verlockend ähnlich war, auch wenn er sich fern der Heimat aufhielt. Noch dazu lag nichts Böses in ihrem Blick, nur Neugierde, wie man sie vielleicht empfand, wenn man etwas Schönem gegenüberstand, das einem zugleich unbegreiflich war. »Hast du einen Namen?«, fragte sie.
»Hast du denn einen?«, gab Teriasch zurück.
»Man sagt nicht Du zu ihr!«, flüsterte Rukabo entsetzt mit einem ängstlichen Seitenblick auf die Leibwächterin. »Man sagt Ihr und Euch und Euer, du Barbar!«
»Wieso?« Was will er bloß von mir? »Ich sehe da nur eine Frau, die vor mir steht, nicht zwei.«
Rukabo stöhnte gequält.
»Ich nehme dir deine aufrichtige Art nicht übel«, sagte die Tochter des Dominex. »Ich bin Julanesca Venustas Gramenita Ignissetta Nata Grandus.«
»Das ist ein sehr langer Name.«
»Du kannst mich Nesca nennen.«
Nun war es die Kahlköpfige, die ein gequältes Stöhnen von sich gab.
»Ich bin Teriasch von den Schwarzen Pfeilen. Du kannst mich Teriasch nennen.«
»Ich mag deine Zöpfe, Teriasch.« Nesca strich ihm mit einem Finger durch das Haar an seiner Schläfe, und er bekam eine Gänsehaut. Es war mehr als eine schlichte Regung seines Körpers ob der Berührung. Die Geste rief ihm seinen Traum, in dem sie sich als Trugbild des Kala Hantumanas entpuppt hatte, in aller Deutlichkeit ins Gedächtnis. Aber ihr Finger ist ganz warm, und sie riecht nicht nach Moder. Sie riecht … gut. Wie Blumen und Honig und Früchte.
Ihr Finger wanderte über seine Wange zu den Lippen. »Und ich mag diese Linien um deinen Mund.«
»Es sind Flammen«, murmelte er, und obwohl er versuchte, seine Lippen
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