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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Herr über ihren eigenen Körper waren, und denen, die sich am Todeskampf des Mädchens ergötzten und laut darüber lachten.
    Als die Bewegungen des Mädchens schwächer und schwächer wurden, schoss Teriasch ein Gedanke durch den Kopf, der ihn endlich die Augen schließen ließ. Halb vor Scham, halb vor Empörung über sich selbst. Die Frau, die mir nicht mehr aus dem Kopf will, ist die Tochter des Mannes, der all dies zulässt. Sie ist die Tochter eines Mörders. Sie ist die Tochter eines Monstrums.

12

     
Oft hört man, die Unteren träumten sehnsüchtig davon,
ihr Leben gegen das ihrer Oberen zu tauschen,
weil es ihnen so viel leichter und unbeschwerter erscheint
als ihr eigenes. All diesen Träumern sei gesagt:
Ihr wisst nicht, wovon ihr da träumt.
Aus der Trauerrede der Edeldame Hostifizia Inanis anlässlich des vorzeitigen Dahinscheidens ihres dritten Gatten
     
    Dropaxvir, der schwarzhäutige Pechmann, hatte sich in der ganzen Zeit, in der Teriasch in Silicis’ Besitz war, noch nie in die Stallungen verirrt. Umso verwunderlicher war es, dass er am Morgen nach dem Beben des Turms der Erde unvermittelt die Türschwelle zur Geräte- und Vorratskammer ausfüllte. Teriasch und Rukabo waren gerade dabei, tote Küken in die Fresssäcke für die Reißhirsche zu füllen, als sein Schatten auf sie fiel.
    »Hast du dich verlaufen?«, erkundigte sich der Halbling. »Oder hast du heute Morgen glatt vergessen, wo der Übungshof ist, weil du gestern Abend einen Schlag zu viel auf den Deckel gekriegt hast?«
    »Silicis’ Schritte sind im Begriff, ihn an diesen Ort zu führen«, sagte Dropaxvir ernst. »Und er wandelt nicht allein auf diesem Weg. Mich dünkt, wir haben hohen Besuch.«
    »Wer ist es?«, fragte Rukabo, völlig ungerührt ob der gestelzten Ausdrucksweise, die Dropaxvir aus seiner Lieblingslektüre übernommen hatte.
    »Es handelt sich um eine gar liebreizende Maid von edlem Geblüt.« Der Arenistus zuckte mit den breiten Schultern. »Ihr gewiss wohlklingender Name ist mir indes leider nicht bekannt. Unser Gebieter hat mich entsandt, euch aufzutragen, ein tadelloses Benehmen zu zeigen.« Dropaxvir nickte noch einmal knapp, dann war er auch schon wieder so rasch verschwunden wie ein Spuk, dem aufgefallen war, dass er am falschen Ort sein Unwesen trieb.
    Es kann nicht sie sein. Teriaschstellte den Fresssack ab, während Rukabo bereits hinaus auf den Hof gehuscht war. Es darf nicht sie sein. Sein Herz schlug schneller und schneller, als er dem Halbling folgte.
    Doch es war sie , die gemessenen Schrittes auf die Stallungen zukam. Nesca, deren wahrer Name so viel länger und deren Vater ein vieltausendfacher Mörder war. Auf eine Verkleidung wie bei ihrem Ausflug ins Vergnügungsviertel hatte sie verzichtet. Stattdessen trug sie ein eng am Körper anliegendes Kleid aus grünem Samt, dessen Ärmel dafür so weit und üppig geschnitten waren, dass die Saumzipfel bis zu ihren Knien herabbaumelten. Auf ihren hohen Wangen schimmerte Goldpuder, und ihr Haar wurde von zwei silbernen Spangen in der Form von Löwenpranken gehalten.
    Auch Nescas Leibwächterin sah offensichtlich keinen Anlass, irgendjemandem etwas vorzuspielen: Ihr drahtiger Leib steckte in einem Plattenpanzer aus jenem glänzenden gelben Metall, aus dem die Harten Menschen ihre besten Rüstungen schmiedeten. In den Panzer waren feine Muster aus Blüten, Ranken und Dornen eingeätzt, ebenso wie in den Stiel des Streitkolbens mit dem Löwenkopf an ihrem Gürtel.
    »Verzeiht, dass wir keine Vorbereitungen für Euren Besuch getroffen haben.« Silicis persönlich führte die Frauen durch sein kleines Reich. Er hielt sich mit einer Hand die Seite – wahrscheinlich weil ihm das jähe Erscheinen einer Tochter des Dominex auf die Galle schlug – und deutete mit der anderen auf den großen Misthaufen in der Ecke des Hofes. »Hätte ich davon gewusst, dass Ihr Euch ankündigt, wäre aller Unrat weggeschafft worden, damit er Euch nicht mit seinem Gestank belästigen kann.«
    »Sorge dich nicht umsonst.« Nesca schenkte dem Arenabesitzer ein mildes Lächeln. »Wir haben uns nicht angekündigt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir das einfache Volk auf unverfälschtere Weise gegenübertritt, wenn ich mich ohne Gefolge und ohne großes Prozedere unter es mische. Oft wird mir nämlich viel zu viel Aufhebens um meine Person gemacht.«
    »Deshalb haben wir auch die kleinste Sänfte genommen. Es reicht schon, wenn sechs Träger wissen, wo sich Ihre Hoheit aufhält,

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