Heldin wider Willen
die Mannschaft zurück
und bringen Sie mir ein paar anständige Bilder. Ich sehe mal, was ich tun kann, um eine Entschärfungscrew aufzustöbern.«
Der Chief der Gerüstmannschaft war absolut bereit, auf den Befehl eines Subalternoffiziers zu hören; er machte sich kaum die Mühe mit einem rituellen Murren. Esmay wartete nicht erst darauf, dass die Leute verschwanden. Sie fischte Magnetflicken für ihre Stiefel hervor und kontrollierte sie zweimal, um sicherzustellen, dass sie nicht die Variante gewählt hatte, die permanent anhaftete. Sie wollte schließlich nicht wie ein Ornament kleben bleiben. Dann schlang sie sich den großen Videoscanner mit einer ihrer Sicherungsleinen und Zusatz-klammern auf den Rücken.
Diesmal fiel ihr der Weg leichter, da die Stifte bereits montiert waren und ihre Stiefel auf dem Rumpf der Wraith Halt fanden. Einen Teil des Weges zwischen den Stiften konnte sie gehen, wobei sie sich selbst Stricklänge aus der jeweils vorangegangenen Klammer zuführte … In ihrer jetzigen
Haltung konnte sie leicht erkennen, dass sie beim ersten Mal keinen geraden Kurs angelegt hatte. Sie hatte sich quer über die Wölbung vorgearbeitet, statt die kürzere Route direkt bugwärts 360
zu nehmen. Sie sah nichts weiter an als die Stifte, die Klammern und die Leine selbst, bis sie fast den zwanzigsten Stift erreicht hatte. In diesem Moment überflutete Licht sie von hinten und spülte das schwächere Licht ihrer Helmlampe förmlich weg, und sie verfehlte den
Stift. Als sie sich umdrehte, um zu sehen, was da los war, dunkelte sich das Helmvisier automatisch ab; sie erkannte, dass einer der großen Scheinwerfer der Koskiusko vom Rumpfbruch abgeschwenkt war, um in Richtung Bug zu suchen.
Offensichtlich hatte Major Pitak den Captain erreicht …
Esmay griff erneut nach dem Stift und klemmte sich an. Im jetzt helleren Licht warfen die Kanten der zerstörten
Schildknoten schartige Schatten auf den mattschwarzen
Schiffsrumpf. Die Szenerie wirkte inzwischen anders … Esmay sah die Mine nicht, aber sie musste dicht davor sein. Ein weiterer Stift, noch einer und noch einer …
IIIERP! Esmay stoppte ruckartig und rammte die Füße an den Rumpf. Das jaulende, lästige Geräusch schrie nach ihrer
Aufmerksamkeit. Eine Lampe blinkte vor ihr in rotem Licht…
ein Notfall… Oh! Sie drückte den Funkschalter mit dem Kinn.
»Nicht bewegen«, sagte jemand in ihr Ohr. »Blicken Sie nach unten, Kniehöhe, zehn Uhr … aber mucksen Sie sich nicht.«
Esmay senkte den Blick, wobei der Helm das halbe Blickfeld abschnitt. Etwas … etwas bewegte sich. Etwas Kleines, vielleicht so groß wie Esmays Faust ohne Handschuh, dunkel und glänzend, stieg auf einem dünnen Drahtstängel hoch, der im Scheinwerferlicht glitzerte … Sie hätte am liebsten den Kopf gesenkt, um zu sehen, woher es kam, obwohl sie es auch so wusste. »Nur nicht bewegen«, sagte die Stimme wieder. »Mit ein bisschen Glück hält sie Sie für einen Teil des Schiffes.«
361
Als sie gerade den Mund öffnete, um eine Frage zu stellen, setzte die Stimme hinzu: »Und sagen Sie nichts. Wir kennen ihre Sensorfähigkeiten nicht.«
Das kleine schwarze Ei auf seinem Draht – die program—
mierbare Sensorkapsel einer intelligenten Mine – stieg noch höher … Esmay sah sie jetzt deutlich, und vermutlich sah das Ding auch sie. Der Schweiß brach Esmay am ganzen Körper
zugleich aus; er kitzelte schrecklich, während er über ihre Rippen rieselte, den Bauch hinunter … Am liebsten hätte sie sich gekratzt. Allerdings nicht so gern, wie sie geflüchtet wäre.
Sie war ein Teil des Schiffes. Sie war ein … automatischer Reparaturmechanismus. Zurzeit abgeschaltet, nicht in Funktion
… Sie versuchte, nicht zu atmen, als der Sensor sich zu ihr herüberneigte, in einem kegelförmigen Schema pendelte, das von der Steifheit des Drahtstängels und den an seinem Ursprung erzeugten Vibrationen bestimmt wurde. Esmay hatte selbst Scanner studiert; sie wusste, was ein solch kleines Paket alles enthalten konnte. Möglicherweise hatte es ihr Wärmeprofil schon unter der Rubrik »Mensch im Raumanzug« eingeordnet, falls das in der Programmierung berücksichtigt war. Die Kapsel konnte auch schon ihre Skelettdichte, ihre Atemfrequenz, sogar ihre Augenfarbe aufgezeichnet haben.
Und falls sie das getan hatte, war Esmay schon tot, war sie nur noch nicht getötet worden.
Die kleine Kapsel rotierte weiter auf ihrem Stängel… war jetzt aber wieder tiefer gesunken. Esmay wusste
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