Heldin wider Willen
und gegen die Angreifer gekämpft haben.
Man sollte Sie zum Kreuzerkommandanten ernennen, das ist meine Meinung.« Er blickte auf einen Monitor auf seinem Schreibtisch und sagte: »Da – der Raum wird in ein paar Minuten bereit sein. Wir machen gern zwischendurch ein bisschen sauber … Möchten Sie etwas trinken?«
Ihr Mund war wieder trocken, aber sie glaubte nicht, dass sie etwas trinken konnte; ihr Magen hatte völlig dicht gemacht.
»Nein, danke.«
»Sind Sie das erste Mal bei der psychologischen Beratung?«
Esmay nickte; es war ihr zuwider, so durchschaubar zu sein.
»Vorher haben alle Angst«, sagte der Mann. »Bislang haben wir aber noch niemanden umgebracht.« Esmay versuchte zu lächeln, aber im Grunde fand sie es nicht komisch.
Knubbeliger toastbrauner Teppichboden erstreckte sich bis auf halbe Höhe der Schotten, die hier cremefarben gestrichen waren; eine dick gepolsterte Couch mit einem Afghan, der über ein Ende drapiert war, und ein paar weiche Sessel ließen die Kabine als besonders heimeliges Wohnzimmer erscheinen. Es war still und roch entfernt nach Minze. Esmay bemerkte, dass sie unter der Tür stehen geblieben war wie ein vorsichtiges Fohlen, das nur halb zum Gattertor hinaus war; sie zwang sich, ganz einzutreten.
»Ich bin Annie Merinha«, stellte sich die Frau vor, die hier auf sie wartete. Sie war groß und trug das helle Haar, das an den Schlafen in Silber überging, zu einem dicken Zopf geflochten.
Sie trug eine weiche braune Hose und ein blaues Hemd mit dem 599
ID-Schild am linken Ärmel. »Wir verwenden hier keine Ränge … also nenne ich Sie Esmay, falls Sie keinen Spitznamen bevorzugen.«
»Esmay ist okay«, sagte Esmay aus trockenem Hals.
»Gut. Vielleicht wissen Sie noch nicht, dass Sie mit einer Bitte um psychologische Unterstützung jeden Behandler bevollmächtigen, in alle Ihre Unterlagen Einblick zu nehmen, einschließlich aller fachlichen Beurteilungen. Falls das für Sie ein Problem ist, müssen Sie mir das jetzt sagen.«
»Ist es nicht«, sagte Esmay.
»Gut. Ich habe mir Ihre Krankenakte natürlich schon angesehen, aber mehr nicht. Sie müssen noch einige Punkte über die Behandlung erfahren, ehe wir anfangen – falls Sie das Gefühl haben, dass Sie sie jetzt schon verstehen können.«
Esmay rief ihren Verstand wieder aus seinem Versteck hervor. Sie hatte erwartet, gleich alles erzählen zu müssen …
das hier war viel langweiliger, wenn auch weniger schmerzlich.
»Der Slangbegriff für die meisten von uns lautet Psycholeute, wie Sie sicherlich schon wissen. Das ist insoweit zutreffend, als die meisten von uns nur Pfleger sind und keine ausgewachsenen Meditechs oder Psychiater. Sie stammen von Altiplano, wo man Pflegepersonal nach wie vor als Krankenschwestern bezeichnet, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Esmay.
»Haben Sie aus kulturellen Gründen Probleme damit, von einer Psychopflegerin behandelt zu werden und nicht von einem Arzt?«
»Nein.«
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Annie hakte etwas ab. »So, jetzt müssen Sie noch erfahren, dass unsere Sitzungen zwar vertraulich sind, für diese Vertraulichkeit aber Grenzen gelten. Falls ich einen Grund für die Überzeugung gewinne, dass Sie eine Gefahr für sich selbst oder andere verkörpern, werde ich das melden. Dazu gehört auch die Beteiligung an bestimmten Formen religiöser oder politischer Aktivität, die für Ihre Schiffskameraden gefährlich werden könnten, sowie die Einnahme verbotener Substanzen.
Obwohl Sie womöglich solche Handlungen zu verheimlichen versuchen, muss ich Sie offen dafür informieren, dass ich sehr gut darin bin, Lügen aufzudecken. Ohnehin würde jede Unaufrichtigkeit den Wert Ihrer Behandlung deutlich mindern.
Möchten Sie fortfahren?«
»Ja«, sagte Esmay. »So was tue ich nicht …«
»In Ordnung. Jetzt dringen wir allmählich zum Kern vor. Sie sagten, Sie hätten Probleme mit Ihren Erlebnissen an Bord der Despite sowie mit anderen Erfahrungen aus der Zeit vor Ihrem Eintritt in die Raumflotte. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Probleme, die bei Ihrem Dienstantritt bestanden, auch damals schon behandelt wurden.« Sie brach ab. Esmay brauchte eine ganze Weile, um zu erkennen, dass darin eine Frage impliziert war.
»Ich … habe niemandem davon erzählt.«
»Sie haben etwas verheimlicht, wovon Sie wussten, dass es …«
»Ich wusste … damals noch nicht… was es eigentlich war.«
Nur Träume, nur Träume, nur Träume!, hämmerte es im Rhythmus ihres Pulses.
»Hmm. Können Sie mir mehr
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