Heldin wider Willen
wollte, dass Sie erst Erfahrungen sammeln, ehe Sie allein hineingehen!«
»Da kann man nichts machen«, sagte Esmay. Er wirkte leicht überrascht, was sie fast ärgerte. Hatte er vielleicht erwartet, dass sie nutzlose Klagen vorbrachte? Ein unnützes Theater aufführte, und das ihm gegenüber?
»Ich bin froh, dass Sie es so aufnehmen. Und jetzt… Falls die den Schaden am Navcomputer nicht ansprechen, haben Sie zwei Möglichkeiten …« Diese Sitzung dauerte Stunden, bis Esmay das Gefühl hatte zu verstehen, worauf Chapins Ratschläge hinausliefen.
An dem Vormittag, als die Anhörung vor dem Ausschuss
beginnen sollte, begleitete Chapin sie in das Gebäude und bis ins Vorzimmer, wo er warten wollte, für den Fall, dass sie um eine Unterbrechung bat und seinen Rat suchte. »Kopf hoch, Lieutenant!«, sagte er, als die Tür aufging. »Vergessen Sie nicht, dass Sie die Schlacht gewonnen und Ihr Schiff nicht verloren haben!«
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Der Untersuchungsausschuss machte keine Zugeständnisse
aufgrund der ungewöhnlichen Art und Weise, in der Esmay das Kommando über die Despite erhalten hatte – zumindest gewann sie diesen Eindruck aus den Fragen, die man ihr stellte. Falls schon eine Jig den Befehl in der Schlacht führte, sollte sie lieber wissen, was sie tat – und jeder Fehler, den Esmay gemacht hatte, kam ans Licht.
Warum hatte sie sich nicht schon auf die Übernahme der
Befehlsgewalt vorbereitet, noch ehe der im Rang nächsthöhere Offizier seinen Verletzungen erlag – sicherlich hätte der Schlamassel auf der Brücke dann viel rascher bereinigt werden können? Esmay hingegen erinnerte sich noch an die Beinahe-Panik, die Notwendigkeit, jede einzelne Kabine an Bord zu sichern, jedes einzelne Besatzungsmitglied zu kontrollieren, und war nach wie vor der Meinung, dass es wichtigere Dinge
gegeben hatte, als den Kommandantensitz von Blut zu reinigen.
Sie sprach das nicht aus, aber sie listete sehr wohl die übrigen Notwendigkeiten auf, die ihr dringlicher erschienen waren. Der Ausschussvorsitzende, ein Ein-Stern-Admiral mit hartem
Gesichtsausdruck, von dem Esmay noch nie etwas gehört hatte, weder Gutes noch Schlechtes, lauschte ihren Worten mit
schmalen Lippen und ohne jeden Ausdruck, den sie hätte deuten können.
Nun denn: Als sie das Kommando übernahm, warum hatte sie entschieden, sich in ein anderes System hineinzuschleichen –
die richtige Maßnahme in Anbetracht der vorgefundenen
Umstände, darin stimmten alle überein – und dann doch mit flammenden Geschützen nach Xavier zurückzukehren, wo sie doch jeden Grund hatte, dort mit der Präsenz einer feindlichen 64
Streitmacht zu rechnen? Erkannte sie nicht, dass eine
kompetentere Verminung des Sprungeintrittskorridors zu ihrer Vernichtung hätte führen können? Esmay hatte nicht vor, ihre Entscheidung als vernünftig zu verteidigen; sie war einem Instinkt gefolgt, keiner rationalen Erwägung, und Instinkte töteten häufiger, als sie retteten.
Und warum war sie nicht auf die Idee gekommen, einen
Mikrosprung durchzuführen, um den Bewegungsimpuls früher wegzunehmen, wenn sie dadurch doch zwei Schiffe hätte retten können statt nur eines? Esmay erklärte die Sache mit dem Navcomputer, die Notwendigkeit, dort einen Ersatzchip aus einer der Raketen-Leitstationen hineinzubasteln. Und so ging es weiter, Stunde auf Stunde. Die Mitglieder des Ausschusses schienen sich viel weniger dafür zu interessieren – tatsächlich sogar überhaupt nicht –, wie die Despite das feindliche Flaggschiff weggepustet hatte, sondern viel mehr für Esmays Fehler. Der Ausschuss spielte Überwachungsmaterial ab, zeigte Diskrepanzen auf, hielt Vorlesungen, und als es schließlich vorbei war, fühlte sich Esmay beim Hinausgehen wie
weichgekocht.
Major Chapin, der im Vorzimmer wartete, wo er die Anhörung über einen Videokanal verfolgt hatte, reichte ihr ein Glas Wasser. »Wahrscheinlich glauben Sie mir das nicht, aber Sie haben sich so gut geschlagen, wie Sie es unter den gegebenen Umständen nur konnten.«
»Ich denke nicht.« Sie nippte an dem Wasser. Major Chapin saß da und sah ihr zu, bis sie das Glas leer getrunken hatte.
»Lieutenant, ich weiß, dass Sie müde sind und sich wahrscheinlich fühlen, als hätte man Sie seitwärts durch eine Drahtlehre gezogen, aber Sie müssen mir zuhören: Unter-65
suchungsausschüsse sollen aufreibend sein. Das gehört zu ihrem Geschäft. Sie sind dort aufgestanden und haben die Wahrheit gesagt; Sie sind nicht nervös
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