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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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gegenüber standen die weißen Stämme der Pappeln mit ihren tanzenden Blättern.
    Während des kurzen Gebirgsfrühlings, der gerade herrschte, war das frische Gras durchsetzt von Rosa und Gelb und Weiß, den Wind-und Schneeblumen … Und in ein paar Wochen war mit
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    der Blüte der scharlachroten und blauen Lupinen zu rechnen, aber bislang duckten sich alle Blumen noch eng an den Boden.
    Esmay entspannte sich im Sattel und holte tief Luft. Am
    liebsten hätte sie immer weiter eingeatmet und sich ganz gefüllt mit dem harzigen Duft der Kiefern, dem frischen Duft von Minze und Gras, der Süße der Blumen, dem scharfen Geruch der Pappeln und sogar dem sauren Gestank des dicht
    wachsenden Unkrauts am Fluss. Sie spürte, wie ihr Tränen aufstiegen, unterdrückte aber die Gefühle. Statt zu weinen, stieg sie vom Pferd und führte es zum Teich, damit es trinken konnte.
    Dann nahm sie ihm die Satteltaschen ab und hängte sie sich über die Schulter. Sie führte das Pferd zur umgestürzten Kiefer – die nach all den Jahren immer noch dort lag – und befreite es vom Sattel; sie packte den Sattel auf den schräg angelehnten Stamm der Kiefer und legte dem Pferd Fußfesseln an, ehe sie den Zaum herausnahm.
    Das Pferd arbeitete sich wieder bis ins Sonnenlicht hinaus vor, bis auf das Weidegras, wo es zu fressen anfing. Esmay setzte sich auf den bequemen Stein, den sie Vorjahren dort platziert hatte, und lehnte sich an den Sattel. Sie öffnete die linke Satteltasche und holte die Fleischpasteten hervor, die ihr Veronica eingepackt hatte. Sie konnte sich hier fünf Stunden Frieden gönnen, ehe sie zurückreiten musste.
    Sie konnte kaum glauben, dass das Tal jetzt ihr gehörte.
    Sie gehörte vielmehr hierher, zu diesem kalten Stein mit seinen bunten Flechten, zu den Bäumen und dem Gras, zum
    Berg selbst… Aber nach Gesetz und Brauch, wie man hier
    sagte, gehörte es jetzt ihr. Nach Gesetz und Brauch konnte sie jedem anderen den Zutritt verwehren … Sie konnte einen Zaun 172
    errichten, das Tal abschirmen, hier ein Haus bauen, das niemand außer ihr je betrat.
    Das war einmal ihr Lieblingstraum gewesen. Eine kleine
    Hütte, ganz für sich, ohne Erinnerungen, die daran hafteten, hier an diesem goldenen Platz. Damals war sie noch ein Kind
    gewesen; in ihrem Tagtraum waren Speisen ohne jedes Zutun einfach auf dem Tisch aufgetaucht. Das Frühstück hatte … aus Müsli mit Sahne und Honig bestanden. Jemand anderes, eine unsichtbare magische Person, hatte anschließend die klebrige Schale gespült. Zum Mittagessen war Esmay immer draußen
    gewesen, hatte normalerweise auf einem Felsen gesessen und in den Himmel geschaut. Das Abendessen bildeten in diesen
    Träumen Fische aus dem Fluss, Bergforellen mit frischem
    Fleisch, leicht angebraten.
    Nicht hier aus dem Fluss – hier war er noch zu klein –,
    sondern ein paar Kilometer flussabwärts. Dort hatte sie gefischt, als sie einmal eine Woche lang hier kampierte; das war in ihrem elften Sommer Wirklichkeit gewesen, kein Traum. Der Fisch war so schmackhaft gewesen, wie sie sich das vorgestellt hatte, aber der Weg hin und zurück überzeugte sie doch davon, sich eine andere Nahrungsquelle zu suchen.
    Papa Stefan war wütend gewesen, ebenso ihr Vater, als er vom Einsatz in Kharfra zurückkehrte (in Kharfra war immer irgendwas los). Die Stiefmutter war in Panik geraten, überzeugt davon, dass Esmay sich umgebracht hatte … Wenn sie an diesen Streit zurückdachte, spürte Esmay, wie sie sich verspannte und die Kälte des Steins tief in sie eindrang. Sie stemmte sich hoch, spazierte hinaus in die Sonne und streckte ihr die Arme
    entgegen.
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    Schon mit elf war ihr klar gewesen, dass sie sich niemals das Leben nehmen würde, komme, was da wolle. Hatte Arris es
    ihrem Vater je gesagt? Wahrscheinlich nicht. Bestimmt hatte sie Angst gehabt, noch mehr Spannungen zwischen Vater und
    Tochter zu erzeugen, noch mehr Schwierigkeiten. Die arme Arris, dachte Esmay und schloss die Augen vor der Sonne, als sie das Gesicht hineindrehte. Sie war sechs Jahre zu spät gekommen mit ihrem Mitgefühl, sechs Jahre zu spät mit ihrem Schock und Entsetzen. Heute verstand Esmay, wie hilflos sich Arris gefühlt haben musste mit einer so linkischen und so unabhängigen Stieftochter.
    Esmay spazierte den Hang bis zur offenen Wiese hinunter.
    Sie hockte sich hin und legte eine Hand auf die Erde. Sie fühlte sich kühl an – nur am heißesten Mittsommertag erwärmte sich der Boden hier oben –, aber nicht so kalt

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