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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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Flotte blieb, falls sie sich für eine Verjüngung qualifizierte, dann noch viele, viele Jahre. Noch lange, nachdem ihr Vater schon tot sein würde, lange, nachdem jeder andere tot sein würde, der sie verraten hatte, konnte sie in dieses Tal zurückkehren und immer noch jung genug sein, um es zu genießen. Sie konnte sich ihre Hütte bauen und hier in Frieden leben. Es brauchte nicht wehzutun, wenn sie
    zurückkehrte; sie konnte diesem Schmerz einfach dadurch
    ausweichen, dass sie beharrlich blieb.
    Vor dieser Vision stieg das lebhafte, eifrige Gesicht ihrer Kusine Luci auf – Luci, die bereit war, es auf Kampf, Konflikt, Schmerz ankommen zu lassen … Das Gegenteil von umsichtig.
    Aber Luci hatte nicht durchlitten, was sie durchlitten hatte.
    Tränen brannten wieder in Esmays Augen. Falls sie ihr
    friedliches Tal letzten Endes dadurch erlangte, dass sie alle überlebte, die sie verraten hatten … dann war auch Luci schon alt, vielleicht tot… Denn wie viele normale Lebenszeiten würde Esmay verbringen, bis sie sich den Ruhestand und den Frieden ihres Tals verdient hatte?
    Sie wünschte sich Luci als Freundin, als Geschäftspartnerin, Luci, die jetzt zur ihr aufblickte, wie, so weit sich Esmay erinnern konnte, noch nie jemand aus der Familie zu ihr
    aufgeblickt hatte.
    »Es ist nicht fair«, sagte Esmay zu den Bäumen und den
    Hängen und dem plätschernden Wasser. Eine eiskalte Brise strich das Bachbett entlang, und sie fror. Eine dumme Klage; im Leben ging es nicht um Fairness. »Er hat mich angelogenl«, 177
    schrie sie plötzlich. Das Pferd warf den Kopf hoch und kippte die Ohren in ihre Richtung; irgendwo flussaufwärts schrien Eichelhäher und schlugen sich mit flatternden Flügeln einen Weg durch das dichte Gewirr der Zweige.
    Dann war es wieder still. Die Eichelhäher waren davon—
    geflattert, und ihre schimpfenden Stimmen wurden leiser. Das Wasser plätscherte wie zuvor; die Brise erstarb und hob wieder an, wie der Atem eines ungeheuren Lebewesens, das größer war als Berge. Esmay spürte, wie ihre Wut zusammen mit dem
    Wind schwand, sich zwar nicht wirklich legte, aber den
    unmittelbaren Druck minderte.
    Eine weitere Stunde lang spazierte sie auf der Lichtung
    herum, und Stimmungen kamen und gingen in ihr, wie die
    Wolken über einem Hang auftauchten und über dem anderen
    wieder davonzogen. Sie musste an die Ausflüge ihrer Kindheit denken – wie sie gelernt hatte, auf die Felsbrocken am Fuß der Klippe zu klettern, wie sie einen seltenen
    Feuerschweifsalamander unter dem Riff des größten Teichs fand, den der Bach durchlief; und diese süßen Erinnerungen glitten über und unter den anderen Erinnerungen dahin, den schlechten. Sie dachte daran, erneut die Klippe hinaufzusteigen, aber sie hatte keine Kletterausrüstung mitgebracht, und die Beine waren schon steif und wund vom Reiten.
    Als sich schließlich die Schatten des Nachmittags daran—
    machten, die Felsen zu ersteigen, fing Esmay das Pferd wieder ein und legte ihm den Sattel auf. Sie ertappte sich bei der Frage, ob ihr Vater es Papa Stefan erzählt hatte – oder nur
    Urgroßmutter. Esmay wäre gern wütend auf Urgroßmutter
    gewesen, weil sie sich nicht gegen den Vater durchgesetzt hatte, aber sie hatte ihren Vorrat an Zorn inzwischen auf den Vater 178
    verbraucht. Und außerdem – als sie damals aus dem
    Krankenhaus kam, war Urgroßmutter gar nicht zu Hause. War sie deshalb weggezogen – oder weggeschickt worden?
    »Ich bin immer noch ein dummes Kind«, erklärte sie dem
    Pferd, als sie ihm die Fußfesseln abnahm und sich anschickte aufzusteigen. Das Pferd sah sie an und zuckte mit einem Ohr.
    »Ja, und ich habe dir einen fürchterlichen Schrecken eingejagt, was? Du bist ein solches Verhalten von Suizas nicht gewöhnt.«
    Tief in Gedanken versunken, ritt sie den im Schatten liegenden Pfad neben dem Fluss hinab. Wie viele von der Familie kannten die Wahrheit oder hatten sie gekannt? Wem außer Luci konnte sie trauen?
    Als sie auf die höher gelegenen Weiden hinausritt, lagen diese nach wie vor in der Sonne, außerhalb des Schattens der Berge. Weit im Süden erblickte Esmay eine Herde Rinder, die sich langsam bewegten. In der Ferne schmiegten sich die
    Gebäude der Estancia wie kleine, hell angemalte Spielsachen zwischen grüne Bäume. Aus irgendeinem Grund spürte Esmay Freude in sich aufsteigen; das Gefühl übermittelte sich dem Pferd, das lostrabte. Esmay spürte die eigene Steifheit nicht; ohne vorherige Überlegung trieb sie das

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