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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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wie der Stein. Sie legte sich ins Gras und verschränkte die Hände hinterm Kopf. Über ihr brannte der Morgenhimmel in Blau, in genau dem Blau, das sich richtig anfühlte, das Esmay am glücklichsten machte.
    Dieses Blau hatte sie auf keinem anderen Planeten gefunden.
    »Du machst es mir nicht leicht«, sagte sie zu der Lichtung.
    Hier und jetzt konnte sie sich nicht vorstellen, Altiplano für immer zu verlassen, das hier für immer aufzugeben. Das nur wenige Ruten entfernt grasende Pferd betrachtete sie und wackelte mit dem Ohr, mampfte dabei jedoch weiter.
    Sie streckte sich auf der Seite aus, betrachtete die Blumen und rief sich deren Namen in Erinnerung. Einige gehörten zum ursprünglichen Terraformungsprojekt, während andere aus
    terranischen Genlinien hier für diesen speziellen Planeten entwickelt worden waren. Rosa, gelb, weiß, ein paar von den winzigen, blauvioletten sternförmigen Blüten, die Esmay
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    insgeheim Wunschsterne nannte. Eigentlich hatte sie für alle diese Blumen persönliche Bezeichnungen, und sie hatte sie den Pflanzennamen in den alten Geschichten entnommen, ob sie nun wirklich miteinander verwandt waren oder nicht. Feuernelke und Rosmarin und Primel klangen hübsch, also benutzte sie sie; Rundblättrige Glockenblume klang albern für sie, also benutzte sie diesen Namen nicht. Jetzt betastete sie die Pflanzen mit der Fingerspitze und benannte sie neu: rosa Rosmarin, gelbe
    Feuernelke, frische weiße Primel. Es war ihr Tal; es waren ihre Blumen, und sie konnte ihnen selbst ausgedachte Namen geben.
    Für immer.
    Sie blickte zum Pferd hinüber. Es graste gelassen und gab nicht mal durch zuckende Ohren Hinweis auf irgendeine
    mögliche Gefahr. Esmay legte den Kopf auf den Arm zurück.
    Sie spürte die Wärme der Sonne, wo ihr Licht auf sie fiel, und die Kühle des Schattens. Sie spürte, wie sie sich entspannte, so tief, wie seit ihrer Ankunft nicht mehr – oder seit wie lange vorher schon nicht mehr? –, und ließ die Augenlider zugleiten.
    Sie drehte das Gesicht ins duftende Gras, damit die Sonne ihr nicht mehr auf die Lider schien …
    Und erwachte mit einem Ruck und einem Schrei, als ein
    Schatten über ihr aufragte. Noch während sie aufsprang,
    erkannte sie das Pferd. Es schnaubte und wandte sich bockend ab, kämpfte gegen die Fußfesseln an, hatte Angst, weil sie sich fürchtete.
    Es hatte nur ein Leckerchen haben wollen, sagte sie sich. Ihr Herz raste, und ihr war richtig schlecht. Das Pferd war ein Stück weiter weg unbehaglich stehen geblieben und musterte sie mit steifen Ohren.
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    »Du hast mich erschreckt«, sagte Esmay zu ihm. Es stieß ein langes, vibrierendes Schnauben aus, was »du mich auch« hieß.
    »Es war dein Schatten«, sagte Esmay. »Entschuldigung.« Sie blickte sich um. Sie hatte mindestens eine Stunde lang
    geschlafen, eher zwei, und sie spürte die Wärme eines
    Sonnenbrands am Ohr. Sie hatte einen Hut getragen … aber nicht mehr, als sie sich hinlegte.
    Als sich ihr Herzschlag wieder beruhigte, fühlte sie sich besser und ausgeruht. Zeit fürs Mittagessen, erinnerte sie der Magen. Sie ging zum Stein zurück, wobei sie sich die Steifheit aus den Gliedern schüttelte, und nahm den Hut und den
    Essensbeutel mit zurück in die Sonne. Jetzt war sie bereit für diese Fleischpastete, und das Pferd würde den Apfel genießen.
    Nach dem Mittagessen ging sie am Fluss entlang hangabwärts und entspannte sich geistig wieder. Sie war nach Hause
    zurückgekehrt und hatte die Wahrheit aufgedeckt, und es hatte sie nicht umgebracht. Die Wahrheit gefiel ihr zwar nicht – sie tat weh, und Esmay wusste, dass sie ihr auch weiterhin wehtun würde –, aber sie hatte die ersten erschreckenden Stunden überlebt wie als Kind schon die eigentliche Vergewaltigung. Sie fühlte sich wackelig, aber nicht von Auflösung bedroht.
    War sie wirklich bereit, das hier aufzugeben, dieses herrliche Tal, das ihr schon so oft geholfen hatte, geistig intakt zu bleiben? Der Fluss gluckste und spritzte zu ihren Füßen; sie kniete sich hin und hielt eine Hand in die eisige Strömung. Sie liebte dieses Geräusch, das scharfe Aroma der Kräuter, die am Ufer wuchsen, das Gefühl von eiskaltem Wasser an Händen und Gesicht, wenn sie sich hinkniete, um zu trinken.Sie liebte das schwere Klopfen eines Steins auf dem anderen, wenn sie auf 176
    diesem ungleichmäßigen Brocken stand, der hin und her
    schaukelte.
    Sie brauchte sich jetzt nicht zu entscheiden. Dafür blieben ihr Jahre … Falls sie bei der

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