Heldin wider Willen
Gebieten überlebt – sie verfügen über Höhlen, habe ich gehört –, aber ihre Wirtschaftsgrundlage ist vernichtet. Sie werden eine oder zwei Generationen brauchen, nur um wieder aufzubauen, was sie verloren haben.« Sie konnte sich den Ablauf vorstellen; Altiplano hatte nach dem Tod des Gründers in den Nachfolgekriegen ähnliche Schäden erlitten. Jahre des Hungers, während die landwirtschaftliche Basis neu aufgebaut wurde. Die darauf folgenden Jahre, in denen eine gerade ausreichende Ernährung nicht mehr als ausreichend empfunden wurde. So weit draußen konnten die Leute keine große Hilfe vom Rest der Familias mehr erwarten, sobald irgendeine neue Krise öffentliche Aufmerksamkeit fand.
Wieder wurde es still, aber diesmal herrschte eine andere Atmosphäre.
»Fangen wir mit der Lage an, wie sie sich Commander
Serrano zunächst darstellte.« Esmay wechselte die Displays, sodass wieder das Xavier-System zu sehen war. »Xavier hat schon über die vergangenen Jahre hinweg unter gelegentlichen Überfällen gelitten, die anscheinend auf irgendwelche unabhängigen Plünderer zurückgingen. Dabei war die
Orbitalstation bedroht und mehr als einmal auch beschädigt 266
worden. Xaviers Verteidigung beruhte ganz auf überholten und schlecht versorgten Schiffen der Demoiselle-Klasse, von denen zur Zeit dieses Angriffs nur eines wirklich raumtüchtig war. Aus den anderen hatte man Teile ausgebaut, um dieses eine Schiff einsatzfähig zu halten. Xavier liegt abseits regulärer Fahrgastverbindungen und verschifft seine landwirtschaftlichen Produkte – überwiegend Sperma und Eizellen sowie eingefrorene Embryos großer Tiere – mit privaten Schiffen ortsansässiger Eigner. Fast die gesamte Bergbauproduktion deckt nur den Eigenbedarf, um die Infrastruktur zu unterhalten.«
Esmay hatte selbst nichts von alldem gewusst, bis sie Heris Serranos Meldung an den Admiral gelesen hatte – präzise, aber kaum im üblichen Sinne kurz gehalten. Esmay war es leicht gefallen, den Ausführungen zu folgen, denn Altiplano und Xavier hatten vieles gemeinsam.
»Die Regierung hatte Commander Serrano verpflichtet, die damals ziviler Kapitän einer Privatyacht war – allerdings einer sehr gut bewaffneten –, um einen der genannten früheren Überfälle abzuwehren. Wie Sie sich denken können …« Esmay gestattete sich ein kurzes Lächeln. »… hatte der ahnungslose Plünderer keine Chance.«
»Wie groß war er?«, fragte jemand aus den hinteren Reihen.
»Nach den damaligen Scanner-Aufzeichnungen war es ein
Kaperschiff von Aethars Welt…« Esmay rief die Rumpfdaten aufs Display. »Commander Serrano konnte den Angriffskurs vorausberechnen und es überraschen.«
»Aber das war doch nicht die ganze Schlacht, oder? Ein
mieses kleines Kaperschiff?«
267
»Nein, natürlich nicht.« Esmay wechselte erneut die
Bildschirmdarstellung und zeigte jetzt die Position Xaviers relativ zur Benignität und dem Territorium der Familias.
»Commander Serranos Scannertechnikern fiel ein weiteres
Schiff im System auf, anscheinend ein Späher … Sie vermutete, dass der Angriff des Kaperers lediglich für eine größere Invasionsstreitmacht die Lage sondieren sollte. Sie meldete diese Sorge dem nächsten Flottenhauptquartier.«
»Und bekam einen Haufen Verräter zugeschickt«, brummte
jemand aus den mittleren Reihen.
»Keinen ›Haufen‹«, wandte Esmay ein. »Die meisten Offiziere und Mannschaften aller drei Schiffe waren loyal, oder die Sache wäre ganz anders ausgegangen. Die Flotte entsandte eine kleine Streitmacht unter dem Kommando von Dekan Garrivay.
Zwei Patrouillenschiffe, ein Kreuzer. Die Kommandanten aller drei Schiffe waren bereit, mit der Benignität zu kooperieren, aber das galt nicht für andere Besatzungsmitglieder.«
»Wie viele Verräter waren es genau, und woher wissen wir, dass man sie alle enttarnt hat?«
»Ich kenne die Antworten auf beide Fragen nicht«, sagte
Esmay. »Einige Leute starben ziemlich schnell… man kann
unmöglich feststellen, welcher Seite sie sich verbunden fühlten.
Und es ist möglich – wenn auch unwahrscheinlich –, dass sich einige Verräter während der Kämpfe auf allen Schiffen nicht offen bekannt haben. Nach der letzten Schätzung, die ich gelesen habe, waren fünf bis zehn Prozent jeder Besatzung tatsächlich Verräter – sowohl Offiziere wie Mannschaften.«
Sie sah die Seitenblicke, als die jungen Offiziere sich
überlegten, wie viele in diesem Raum das sein
Weitere Kostenlose Bücher