Heldin wider Willen
Ungenauigkeit mit sich, groß genug, um mitten in den Planeten hineinzukrachen.
»Und als wir aus dem Sprung kamen, hatten wir freies
Schussfeld auf das Heck des Kommandokreuzers der
Benignität.« Sowie einen Vektor, der ihnen nur die Chance für einen einzigen Schuss eröffnete. Die Besatzung, der es so zuwider gewesen war, ihre Chance auf die Sektormeisterschaft der Artillerie zu verlieren, landete ihren Treffer in diesem schmalen Fenster … und schaffte es anschließend, die Despite auf eine stabile Umlaufbahn zu lenken.
»Der Untersuchungsausschüsse berichtete Esmay, »hieß die Mittel nicht gut, wohl aber das Ergebnis.« Auf diesen Punkt wollte sie nicht näher eingehen; eilig fuhr sie damit fort zu zeigen, welchen Beitrag die Verteidigungsanlagen von Xavier geleistet hatten: der selbstmörderische Einsatz von Phaserkanonen gegen ein Shuttle, die improvisierten Minen, die wenigen wirkungsvollen Schüsse der kleinen Orogan, der erstaunliche Sieg der Yacht gegen das Killerschiff.
»Nur, weil niemand mit ihr gerechnet hatte«, fuhr Esmay fort.
»Das Benignitätsschiff hatte selbst einen Hinterhalt geplant –
die Analysen nach der Schlacht ergaben genug aufgefangene Funksprüche, um das festzustellen – und wusste einfach nicht, 274
dass die Yacht da war. Sobald es die aktiven Systeme
abschaltete, um sich für einige Stunden bedeckt zu halten, bot es ein leichtes Ziel.«
»Was hätte es ausgemacht, wenn die Despite auch den ganzen Zeitraum über im Xavier-System gewesen wäre?«
Eine intelligente, aber schwierige Frage. »Betrachtet man die technischen Daten der Schiffe, hätte sie das Kräfteverhältnis für unsere Seite nur um etwa fünfzehn Prozent verbessert. Meinen Kenntnissen zufolge zeichnete sich die Despite durch die besten Geschützleistungen im ganzen Sektor aus: Welche Fehler Hearne auch gehabt haben mochte, sie verlangte und erhielt schnelle und präzise Schüsse von ihrer Besatzung. Wären wir jedoch dort geblieben, wären wir auch eine bekannte Größe gewesen, und Commander Serranos Streitkräfte wären trotzdem weiterhin in Zahl und Feuerkraft unterlegen gewesen. Ich habe keinen der Berichte der Senioranalytiker gelesen, aber ich selbst denke, dass der Beitrag der Despite über den ganzen Verlauf der langen Schlacht weniger schwer gewogen hätte als der eines unerwarteten Gegners zum Ende hin. Das ist allerdings nur meine eigene Theorie – sie ändert nichts an der Tatsache, dass das Fehlen eines weiteren Schiffs Commander Serranos Handlungsmöglichkeiten ernsthaft einschränkte und dass dieses Fehlen auf Verrat zurückging.«
Stille, aufmerksam und fast atemlos. Esmay wartete. Endlich rutschte jemand auf seinem Platz und erzeugte ein deutlich hörbares Scharren von Kleidung auf Sitzpolster, und es durchbrach die allgemeine Reglosigkeit. Ensign Dettin stieg aufs Podium und bedankte sich bei Esmay für ihren Vortrag.
Hände wurden gehoben und kündigten weitere Fragen an, aber Esmay entdeckte jetzt ranghöhere Offiziere auf den hinteren 275
Plätzen. Wann waren sie hereingekommen? Sie hatte es nicht bemerkt… aber sicherlich würde kein Ensign, der die Tür gegen andere Ensigns bewachte, der Hand voll Majors und Lieutenant Commanders den Zutritt verwehren, die jetzt dort saßen.
Dettin entdeckte sie schließlich auch, und seine Ab—
schlussbemerkungen brachen ab. »Ah … Sir?«
Esmay erkannte Commander Atarin, als er aus dem matten
Licht hervortrat. »Ich vermute, Sie wären bereit, diesen Vortrag auch vor Senioroffizieren zu halten?«
Ein Schauer lief über ihr Rückgrat. Sie konnte nicht erkennen, ob Atarin verärgert oder amüsiert war; sie wusste nicht, ob sie sich entschuldigen oder alles erklären sollte. Beides waren schlechte Ideen. »Natürlich, Sir.« Sie schluckte die Erläuterungen hinunter, die beinahe automatisch herauswollten; falls sie nicht wirklich qualifiziert war, wieso gab sie dann vor den Ensigns an?
»Dürfte ich ein Wort mit Ihnen wechseln ..?«, murmelte er, und sein Blick fuhr kurz über die Ensigns, die sich sofort von den Plätzen aufrappelten und durch die andere Tür verschwanden.
»Selbstverständlich, Sir.« Esmay holte ihren Displaywürfel aus dem Projektor und stieg vom Podium. Major Pitak gehörte nicht zu den Offizieren, die dort unten versammelt waren, und Esmay erkannte außer Atarin niemanden wieder. Dieser schwieg, bis der letzte Ensign verschwunden war.
»Sehr deutiich erklärt, finde ich«, meldete er sich dann wieder zu Wort.
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