Heldin wider Willen
würden.
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»Natürlich saßen die meisten auf relativ hohen, entscheidenden Positionen. Fünf verräterische Ensigns würden dem Feind weniger nützen als ein Kommandant und der oberste Scannertech. Die Benignität stand, so wie ich es verstanden habe, vor dem Problem, dass die Planungen für Xavier von ihren Langzeitagenten verlangten, sich einander bekannt zu machen – eine sehr riskante Sache! Diese Notwendigkeit, sich untereinander zu beraten, war ihr Untergang.«
Esmay überging rasch die nach wie vor als geheim einge—
stuften Methoden, mit denen Koutsoudas die Verschwörer bei ihren Planungen belauscht hatte.
»Commander Serrano musste Garrivay daran hindern, die
Orbitalstation zu zerstören, und sie brauchte diese Schiffe zur Abwehr der erwarteten Invasion. Das bedeutete: Sie musste Garrivay und die anderen verräterischen Kommandanten ihrer Ämter entheben, alle anderen Verräter identifizieren und die loyalen Besatzungen um sich scharen.«
»Na ja, aber sie ist Admiral Serranos Nichte«, sagte jemand.
»Sie brauchte es doch nur laut zu sagen …«
Esmay lächelte beinahe. War sie selbst jemals so naiv gewesen, auch vor ihrem Eintritt in die Flotte?
»Vergessen Sie nicht, dass Commander Serrano als Zivilistin agierte, deren Ausscheiden aus dem Flottendienst weithin publiziert worden war. Es liegen Hinweise darauf vor, dass Commander Garrivay sich Sorgen machte, was Serrano womöglich unternahm, besonders welchen Einfluss sie
vielleicht auf die Regierung von Xavier hatte. Er versuchte sie dort zu diskreditieren. Aber stellen Sie sich das mal vor: Sie sind Zivilist – zumindest allem Anschein nach – und befinden 269
sich auf einer Raumstation, an der zwei Flottenschiffe
angedockt liegen. Ein weiteres hält draußen Wache. Wie
erlangen Sie Zutritt auf den angedockten Schiffen? Wir
gestatten Zivilisten üblicherweise nicht, einfach
hereinzuspazieren. Und sobald Sie an Bord sind, wie wollen Sie eine ahnungslose Besatzung davon überzeugen, dass ihr Kommandant ein Verräter ist und man stattdessen Ihnen das Kommando übertragen sollte? Würden Sie zum Beispiel leichthin glauben, Ihr Kommandant wäre ein Verräter, nur weil es Ihnen jemand sagt?«
Sie entdeckte, wie auf den meisten Gesichtern Verständnis dämmerte.
»Ich habe es nicht geglaubt«, sagte sie und kämpfte die
Anspannung nieder, die dieses Eingeständnis auslöste. »Ich wusste als Jig auf der Despite unter Kiansa Hearne von der Situation lediglich, dass wir auf Patrouille waren, während der Rest unserer Gruppe im Dock lag. Ich wusste nichts von einer Invasion; wir glaubten, wir wären nach Xavier gefahren, um den Babysitter für einige paranoide Kolonisten zu spielen, die über irgendeinen absolut normalen Überfall in Panik geraten waren.
Viele von uns haben sich darüber geärgert, dass sie die Chance verpassten, an den jährlichen Sektor-Kriegsspielen teilzunehmen … Wir fanden, dass unsere Leistungen als
Artilleristen herausragend waren.«
»Aber sicherlich hatten Sie doch einen Verdacht…«
Esmay schnaubte. »Verdacht? Hören Sie… Was mir wirklich
Kummer bereitete, waren Sachen, die aus persönlichen Spinden verschwanden. Kleine Diebstähle. Ich habe mir keine Sorgen wegen der Kommandantin gemacht… Sie war die Kommandantin, und es war ihr Job, das Schiff zu befehligen.
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Ich war nur ein Jig und erledigte die mir übertragene Arbeit; sie bestand darin, die automatischen internen Scanner zu warten und herauszufinden, wer die Spinde knackte und wie er das schaffte. Als auf der Despite die – Meuterei ausbrach, war ich so überrascht, dass ich fast niedergeschossen wurde, ehe ich mich orientieren konnte.« Sie wartete ab, bis das nervöse Kichern aus dem Publikum wieder nachließ.
»So war es. Es war lächerlich … Ich konnte es einfach nicht glauben. Die meisten von uns konnten es nicht. Deshalb sind Verschwörer auch den Leuten, die echte Arbeit leisten, immer einen Schritt voraus … Sie können auf dieses Überraschungsmoment zählen.«
»Aber wie konnte Serrano dann das Kommando übernehmen?«, fragte jemand.
»Ich kann Ihnen nur berichten, was ich gehört habe«,
antwortete Esmay. »Anscheinend gelang es ihr und einem ihren früheren Besatzungsmitglieder, sich mit einer List Zutritt zu verschaffen, und sie bat darum, mit Garrivay in seinem Büro sprechen zu können. Durch einen Glücksfall – oder vielleicht wusste sie es von irgendwoher – hielten sich auch einige der übrigen Verschwörer
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