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HelHeg-AxoRoa

HelHeg-AxoRoa

Titel: HelHeg-AxoRoa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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gesetzten Gruppenzwang aufzulehnen.
    »Geh weg, Schatz!«, schluchzt Ophelia.
    »Nein.«
    »Ey, Sweetheart, lass mich los und geh da jetzt wieder zurück an deinen Platz.«
    Ich stelle mich so weit wie möglich von dem Heroin entfernt in irgendeine Ecke. Keine schlechte Restintelligenz, die mich zu dieser Entscheidung führt. Dass meine Mutter tot ist, wurde mir in einem senfgelbgestrichenen Raum mitgeteilt, ich saß alleingelassen auf einem ungepolsterten Stuhl, und plötzlich vermittelte mir dieser Arzt, dessen Gesicht ich inzwischen leider verdrängt habe, einen mir völlig unbekannten Zugang zum menschlichen Leben. Als er aussprach, dass ich von nun an allein sein würde, bewegte sich mein Kopf nach links, so dass meine Augen dazu gezwungen wurden, aus dem Fenster in die absolute Finsternis zu starren.
    Dass ihr Tod diese Ebene der Finsternis zu meiner Wahrnehmung addiert hat, ist ein zu hoher Preis für den Satz: »Meine Mutter ist gestorben, als ich dreizehn war.«
    Trotzdem ist dieser Satz eigentlich alles, was ich noch habe. Ich habe ja keine Bezugsperson und keine Lieblingsfreizeitbeschäf tigung, ich hatte nicht mal eine Mutter, ich habe eigentlich echt nur noch diesen Satz.
    »Willst du das jetzt nehmen oder nicht?«
    »Ich weiß nicht genau.«
    »Du musst nicht, wenn du nicht willst.«
    Die für mich vorgesehene Line wird mir opferbereit entgegengestreckt. Ich zerre Alessa den Kochtopfdeckel aus der Hand.
    »O. k., also doch«, sagt sie schwerstgenervt. Gemeinsam mit dem Heroin, seinem Abhängigkeitspotential und einer Gänsehaut renne ich aus der Küche durch den Flur in Ophelias Schlafzimmer, und auf die mir sich aus drei verschiedenen Mündern in einem ausgeleierten Singsang hinterhergeschriene Frage: »Was geht denn bitte, wo willst du hin?« antworte ich: »Ich hab das Gefühl, das irgendwie zeremoniell bewerkstelligen zu müssen, Leute, das heißt alleine und auf einer bequemen Federkernmatratze, und eventuell beschalle ich diesen Vorgang gleich noch mit angemessener Scheißmusik!«
    »Apropos Musik, ich habe letztens geträumt, dass ich zusammen mit Emre so 'ne ganze Herde türkischer kleiner Jungs gezeugt habe, und einer von denen hat plötzlich meine Blue-Monday-Pl atte zerkratzt.«
    »Blue Mondayl ! Echt ekelhaft, wie du immer wieder diese nicht stattgefundene Wiedergeburt von New Order zelebrierst. Das ist out. Das ist einfach nur out.«
    Und plötzlich verstummen sie, weil die Drogen endgültig alles außer Gefecht gesetzt haben. Ich betätige weder den Lichtschalter, noch komme ich auf die Idee, die Line einfach aus dem Fenster rieseln zu lassen. Draußen herrscht angenehmer Dämmerstimmungsscheiß. Ich setze mich mit angewinkelten Beinen auf das Bett und greife nach einem einzurollenden gelben Klebezettel, auf dem zwei österreichische Telefonnummern und das Wort »Irrlicht« stehen. O. k. Jetzt haben wir es, ich sauge das Verlangen nach der absoluten Intensität des Lebens ein. Reflexartig schließe ich die Augen.Vor mir sehe ich in Zeitlupe, wie kleine Kristalle meine Nasenschleimhaut zerreißen, sich in den Blutkreislauf kämpfen und dort innerhalb des Bruchteils einer Sekunde in einem Ausmaß explodieren, das mich gegen die Rückenlehne des Bettes schleudert. Ich reiße die Augen auf und versuche, mich an dem letzten kleinen Fünkchen realistischer Hässlichkeit festzukrallen, aber irgendeine Kraft übertrumpft mich, die nicht meine Wahrnehmung oder meinen Muskelkontraktionsimpuls außer Gefecht setzt, sondern ausschließlich diesen abgefeierten, hundertjährigen Gutmenschenkonsens, unter dessen Schirmherrschaft sich jede lebendige Person seit ihrer Geburt an irgendeine Oberfläche zu kämpfen versucht. Das Bett kippt nach links. Ich rutsche langsam den Holz-dielen entgegen und zerre das Laken von der Matratze. Heroin ist keiner dieser diffuse Versprechungen abliefernden Zugänge zum menschlichen Leben, sondern die einzige Möglichkeit, das Wort »Leben« als das zu entziffern, was es ist: gar nichts. Der Bereich der heiligen Gesetzesüberschreitung. Heroin ist die Oberfläche. Ich werde dir jetzt genau sagen, was ich empfinde, weil du nie etwas sagst: Ich empfinde überhaupt nichts. Absolut gar nichts.Wenn es irgendetwas gibt, so etwas wie deine Liebe, was mich zu der Arroganz, mit der ich diese Reise durch den ganzen Scheiß angetreten habe, zurückleiten kann und wird, dann ist es wahrscheinlich die Gleichgültigkeit, die ich jetzt kenne.
    Liebe Alice, ich habe das Bedürfnis, aber es

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