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HelHeg-AxoRoa

HelHeg-AxoRoa

Titel: HelHeg-AxoRoa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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eigentlich auch nur Schlager, unseriöse Stimmungsmusik, zu der man am liebsten Massenmordstrategien entwickelt. Mir sind zwei Dinge klargeworden in diesem Augenblick. Erstens, dass Verdi, Wagner und ich uns nur gegenseitig verabscheuen, weil wir uns in unserer Effekthascherei so ähnlich sind. Und zweitens, dass das hier alles einfach nur noch abgrundtiefe Traurigkeit bedeutet. Ich hätte an wahnsinnig viel denken können, mich hätte wahnsinnig viel ernsthaft beschäftigen können. Zum Beispiel die Frage, was man bei einem Orgasmus sieht, eine gotische Kathedrale oder Tierkinder oder, keine Ahnung, ich sehe ja immer nur unter Neonlicht geschmolzenen Cheddar-Käse und Bierzeltgarnituren, die kurz davor sind unter mir zusammenzubrechen. Diese unerträgliche, in irgendeiner Form sogar auf gegenseitigem Einverständnis beruhende Geilheit ist ja der ausschlaggebende Grund für den ganzen Identifikationsexzess mit Patti Smith - denn an diesem Abend, an dem ich zwölf geworden bin, an dem ich aus einem ganz naiven Impuls heraus unangezogener und provokanter durch die Umkleidekabine gelaufen bin als unbedingt nötig, an dem wir beide zum ersten Mal ganz allein waren, an dem sich meine Verehrung für ihn in eine von abgrundtiefem Ekel durchsetzte Sucht nach ihm entwickelt hat, habe ich mich von Pferden umgeben gefühlt. Horses, Horses, Horses, Horses. Die aus allen Richtungen gekommen sind. Weiß glänzende Pferde, deren Köpfe in Flammen aufgingen. Punk. Ich hätte an Punk denken können oder daran, dass ich ohne Schulabschluss echt ziemlich am Arsch bin. Daran, dass sich die durch die Korridore humpelnde Frau Simmrohs vielleicht noch immer darüber Gedanken macht, warum ich in grauer Vorzeit anstatt des von ihr aufgetragenen Referats über die Photosynthese ein Referat über die Stockente gehalten habe.Wie ich mir eigenständig irgendein grundlegendes Wissen über Trigonometrie aneignen kann. Warum meine Strumpfhose kaputt ist, warum meine Haut so erschreckend rau ist, warum mein Vater absolut nichts dagegen einzuwenden hat, dass ich in seinem Auto seit geraumer Zeit Kette rauche. Daran, dass alles weitergeht. Es geht alles weiter. Daran, dass mein Nachbar mir letztens eine SMS geschickt hat, in der stand, er hätte eine Tiergeschichte von dem Babyeichhörnchen Paul für mich, das im White Trash mit dem Schwanz im Wodka Tonic in seiner Hand eingeschlafen ist, und wenige Tage später sind die beiden dann gemeinsam an den Gardasee gefahren. Mich hätte wenigstens beschäftigen können, warum es keine Garantie dafür gibt, dass der Himmel nicht plötzlich runterfällt. Aber all das kam mir so scheißbelanglos vor im Vergleich zu der Feststellung, dass sich der Apatosaurus Igitur vor fünfundsechzig Millionen Jahren definitiv keine Gedanken dar über gemacht hat, ob er eventuell lächerlich aussehen könnte. Dem war völlig egal, wie er rüberkommt und diese Oberflächlichkeit hat da noch gar nicht vorgeherrscht, früher, versteht ihr, was ich sagen will?«
    Ich schnappe nach Luft und bin zutiefst bestürzt darüber, dass da gerade so ein bodenloser Scheiß aus mir rausgebrochen ist. Alessa fragt mich: »Bist du dann also diese mysteriöse Hochbegabte, die auch vergewaltigt worden ist? Seid ihr deshalb befreundet?«
    Ich gucke Ophelia an, und Ophelia sagt: »Das war alles völlig anders, denn ich war sechs und ich wurde im Urlaub in den Arsch gefickt und wohlstandsverwahrlost, wie ich war, hat mir niemand geglaubt. Das große Problem ist, vermute ich, dass man sich für ein sexuelles Kind hält und damit nicht umgehen kann.«
    »Hast du gerade wohlstandsverwahrlost gesagt?« »Ja, Mifti. Guck mal Foxi an.«
    Heroin, hach, na ja, im Jahr 2009 ist das ja irgendwie auch ein bisschen uncool, er gibt mir währenddessen mit einem wohlwollenden Gesichtsausdruck zu verstehen, dass selbst ich das doch ruhig mal nehmen kann, zumindest um meinen Partyexzesspuls von dreihundertzwanzig auf gesunde neunzig herunterzupegeln.
    Ich drehe vollständig durch, und gleichzeitig ist mir scheißegal, was ich als Nächstes nehme, obwohl sich das Zwerchfell bereits bei dem Gedanken an den Satz: »Ich habe mit sechzehn zum ersten Mal eine Line Heroin gezogen und jetzt sehe ich mit neunzehn aus wie dreiundachtzig« unangenehm in die falsche Richtung zu verzerren beginnt. Ich gehe zu Ophelia, die schon wieder anfängt zu heulen, und beiße sie in den Hals, und währenddessen wird mir klar, dass ich definitiv zu schwach bin, um mich gegen diesen in Szene

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