Heliosphere 2265 - Band 6: Die Bürde des Captains (Science Fiction)
“Konntest du wenigstens herausfinden, woher die von deinen Streifzügen in die äußeren Bereiche wussten?”
Sie betrachte eingehend die Blutergüsse und Prellungen, die mittlerweile dunkelviolett angelaufen waren. Zevs linkes Auge war noch immer zugeschwollen, eine Rippe angeknackst. Nicht zu vergessen seine Schneidezähne, die beide abgesplittert waren. Auf einer gut ausgerüsteten Krankenstation wäre es kein Problem, dergleichen zu behandeln, doch hier gab es gerade mal die rudimentärsten Schmerzmittel, Injektionen gegen Strahlenkrankheit und einige Vitaminpräparate.
“Nein, aber es wundert mich nicht. Es gibt sicher ein paar Insassen, die sich das Leben durch kleine Gefälligkeiten gegenüber diesen Schweinen erleichtern.” Zev glitt vorsichtig von der Krankenliege. “Aber so leicht mache ich es denen nicht.” Damit humpelte er hinaus.
Irina schüttelte müde den Kopf. Woher nahm Zev nur diese Energie? Sie selbst war ständig ausgelaugt, hatte nicht mehr die Kraft, nach einem Ausweg zu suchen. Und wozu auch? Wo sollten sie hin?
In den ersten Tagen hatte sie immer wieder versucht, den Hand-Com zu aktivieren. Der kleine Hochleistungscomputer hätte Ihnen hier wertvolle Dienste leisten können, doch ihre anfängliche Euphorie war der nüchternen Realität gewichen. Das Ding war wertlos.
“Wie macht er sich?”, erklang die Stimme von Captain Eins.
Die vier verfeindeten Captains, die das Führungsquartett des Gefängnisses bildeten, wurden von allen - auf eigenen Wunsch - nur nach Nummern benannt. Irina wusste nicht weshalb, doch sie hatte im Laufe ihrer Karriere gelernt, gewachsene Rituale nicht zu hinterfragen.
“Was glauben Sie?”
“Er wird weitermachen.” Eins sog scharf die Luft ein. “Damit bringt er uns alle in Schwierigkeiten.” Er fuhr sich mit der Rechten unruhig über den kahlen Schädel. “Irina, Sie müssen ihn davon überzeugen, sich einzugliedern. Andernfalls wird er entweder an einer Überdosis Strahlung sterben oder von der I.S.P. totgeschlagen. Wollen Sie das?”
“Natürlich nicht. Aber er hat einen Dickschädel.”
“Sie doch auch, wenn ich das richtig sehe”, sagte er mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. “Haben den nicht alle Ärzte?”
“Das ist ein Gerücht.”
“Ich hoffe nicht. Bringen Sie Buckshaw wieder auf Linie, oder ich kann nichts mehr für ihn tun. Die anderen werden ihn andernfalls auf ihre Art unter Kontrolle halten - das wollen Sie nicht.”
Bevor Irina etwas erwidern konnte, war der Captain auch schon wieder verschwunden.
Oh nein, so haben wir nicht gewettet. Sie erhob sich und verließ die Krankenstation. Sie würde Eins nicht einfach so davonkommen lassen! Der Captain bog soeben um die nächste Ecke, sie folgte ihm. Schon nach wenigen Schritten begann Sie, zu keuchen. Ich bin nicht mehr in Form. Hinter einer weiteren Gangbiegung angekommen verschwand der Haarschopf von Eins im Boden. Was macht er auf der unteren Ebene?
Dort unten befanden sich die Wasseraufbereitungsanlagen, der Stromgenerator, und, eine Ebene tiefer, die Kloaken. Nur jene, die für die Wartungsdienste eingetragen waren, gingen - meist unter Protest - hinab. Irina folgte ihrem Instinkt und damit auch Eins.
Der Gestank war schon auf der ersten Ebene atemberaubend. Sie atmete langsam durch den Mund, schlich weiter in die Tiefe. Die Schritte von Eins drangen an ihr Ohr und wiesen den Weg.
Schmale Stege verloren sich in der Dunkelheit. Unter ihnen blubberte heißes Wasser in großflächigen Kavernen. Der Boden bestand aus dunklen Metallplatten, auf denen sich partiell bereits Moos und Schimmel angesammelt hatten. Über die Wände rann dunkelgrüne Flüssigkeit. Es gab nur einen einzelnen Leuchtstreifen, der in der Decke eingelassen war und fahles Licht verströmte.
Gang folgte auf Gang, Kreuzung auf Kreuzung. Irina verlor bereits nach wenigen Minuten den Überblick. Aber das war bedeutungslos. Wenn das Quartett etwas plante, musste sie wissen, was es war.
Erst, als mehrere Stimmen flüsternd von den Wänden widerhallten, verlangsamte Irina ihre Schritte. Eine geheime Versammlung also. Sie pirschte sich weiter heran, ihre Neugier war geweckt. Vorsichtig lugte sie um die Ecke und riss überrascht die Augen auf.
In einem quadratischen Raum hatten sich vier Personen versammelt. Das Führungsquartett. Was war hier los? Alle vier waren sich spinnefeind. Ständig töteten sie gegenseitig ihre Leute, waren zu keinem Konsens fähig und intrigierten, wo es nur ging. Doch von
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