Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
denke ich es mir jedenfalls.
    Ich brauchte knapp drei Bier im Bennigan’s am Canyon Boulevard, um die Lösung zu finden. Die Vorbereitungen zu treffen und den Plan umzusetzen, erforderte sogar noch weniger Zeit.
    Zu den wenigen Dingen, die mir nach der Einigung mit Maria geblieben waren, zählten der Jeep und die Campingausrüstung. Noch während ich trank, fuhr ich gelegentlich ohne Vorankündigung einfach in die Berge und kampierte irgendwo am Peak to Peak Highway oder im Staatsforst im Left Hand Canyon. Ich bin eigentlich kein richtiger Offroad-Typ. Ich hasse die Arschlöcher mit Allradantrieb, die auch noch stolz darauf sind, wenn sie die Landschaft verschandeln, und die Typen mit Schneeschlitten und die Idioten mit Motorrädern, die mit Lärm und Gestank die Wildnis zerstören. Natürlich reize ich den Jeep manchmal aus, um weit draußen einen Lagerplatz zu finden, an dem ich keine Radios und keinen Verkehrslärm mehr höre und wo ich nicht das Hinterteil eines fetten Winnebago anstarren muss.
    Da oben gibt es Minenschächte. Die meisten wurden horizontal in die Berge getrieben und enden schon nach ein paar hundert Fuß, weil die Decke eingebrochen ist oder weil sie überflutet sind. Es gibt aber auch Senken und Löcher, wo die Erde über einem alten Schacht eingebrochen ist – einige der schon lange aufgegebenen Minen sind senkrechte Abgründe, die zwei- oder dreihundert Fuß tief in den Fels zum Grundwasser führen oder zu den schleimigen Geschöpfen, die in solchen dunklen Löchern hausen mögen.
    Ich wusste, wo sich einer dieser senkrechten Schächte befand – ein tiefes Loch mit einer Öffnung, die groß genug war, den Jeep und mich aufzunehmen. Der Schacht war weit oben im Canyon hinter dem Sugarloaf Mountain, weitab vom Weg und mit Warnschildern an den Bäumen gekennzeichnet. Nur jemand, der versuchte, einen Jeep in der Dämmerung oder im Dunkeln zu wenden, konnte versehentlich dort hineinfallen. Falls er ausgesprochen dumm war. Oder ein ausgemachter Säufer.
    Es war ein Juliabend, etwa um sieben Uhr, als ich das Bennigan’s verließ, die Campingsachen aus meiner Wohnung in der 30 th Street holte und auf dem Highway 36 nach Norden fuhr. Drei Meilen ging es an den Ausläufern des Gebirges entlang, dann nach Westen den Left Hand Canyon hinauf. Obwohl ich zwei oder drei Meilen auf einer unebenen Straße vor mir hatte, rechnete ich damit, vor acht Uhr abends am Schacht einzutreffen. Damit blieb mir noch genug Zeit, zu tun, was ich tun musste.
    Trotz der drei Bier war ich nüchtern. Ich hatte seit fast zwei Monaten keinen Drink mehr gehabt. Als Alkoholiker wusste ich, dass ich nicht genesen konnte, wenn ich gerade eben noch nüchtern blieb. Ich verlängerte nur mein Leiden.
    An diesem Abend wollte ich allerdings mehr oder weniger nüchtern sein. Auch damals war ich mehr oder weniger nüchtern gewesen – ich hatte nur zwei Bier getrunken, vielleicht auch drei –, als der Pick-up auf dem Highway 287 die Spur wechselte und gegen unseren Honda prallte. Allan war sofort tot, ich musste drei Wochen im Krankenhaus bleiben. Der Fahrer des Pick-up überlebte natürlich. Man entnahm ihm eine Blutprobe und stellte fest, dass er betrunken war. Er bekam eine Bewährungsstrafe und musste für ein Jahr auf den Führerschein verzichten. Ich war so schwer verletzt und es war so offensichtlich, dass der Pick-up schuld war, dass man bei mir auf die Blutprobe verzichtete. Ich werde nie erfahren, ob es mir gelungen wäre, schneller zu reagieren, wenn die zwei oder drei Bier nicht gewesen wären.
    Dieses Mal wollte ich allerdings genau sehen, was ich tat, wenn ich den Jeep bis an den Rand des zwanzig Fuß breiten Lochs fuhr, den Wagen im niedrigen Gang mit dem Allradantrieb in Bewegung setzte und über den Wall, der das Loch umgab, in die dunkle Grube rollen ließ.
    Genau so machte ich es. Ich zögerte nicht. Ich verlor nicht in letzter Sekunde meinen Stolz und schrieb einen verdammten Abschiedsbrief an irgendjemanden. Ich dachte nicht weiter darüber nach. Ich nahm die Baseballkappe ab, wischte mir den dünnen Schweißfilm von der Stirn, setzte die Kappe wieder fest auf, legte einen niedrigen Gang ein und donnerte über den Erdwall wie ein Pitbull, der den Arsch des Briefträgers im Visier hat.
    Es fühlte sich beinahe an wie die zweite Erhebung auf der Wildcat-Achterbahn in den Elitch Gardens. Ich verspürte den Drang, beide Arme zu heben und zu kreischen. Doch ich ließ die Arme, wo sie waren, meine Hände packten weiter

Weitere Kostenlose Bücher