Helix
so beliebt sind.«
Roth lacht leise. »Vielleicht mag man meine Bücher auch, weil sie die Lebenshaltung eines Atheisten beschreiben, Dr. Iwanowa. Ich bin Jude, aber ich bin Atheist. Die Romane sind ein Schrei, der dem Herzen eines gefühllosen Universums gilt, nichts weiter.«
Vasilisa schüttelt den Kopf. »Das Sowjetregime hat die Veröffentlichung möglicherweise doch erlaubt, weil sie eine atheistische Haltung propagieren, aber sie sind heute beliebter denn je, und heute riecht ganz Russland nach Weihrauch.«
Wieder muss Roth lachen. »Sie wollen mir doch nicht unterstellen, ich sei insgeheim sentimental, Vasilisa? Oder ich hätte eine heimliche Neigung zur Spiritualität?«
»Sentimental sind Sie wohl nicht, aber Spiritualität – ja, ich denke schon.«
Roth schüttelt nur den Kopf und schaut am Fahrer vorbei nach vorn, als sie sich dem Haupttor von Star City nähern. Hinter den Posten am hohen, silbernen Tor geht der Wald zunächst weiter, dann weicht er einem Platz in der Stadt, der von einer hohen Statue Gagarins überragt wird. Hinter dem Platz stehen mehrere auf eigenartige Weise an Amerika erinnernde Wohnhäuser. Vasilisa erklärt, dass diese Häuser tatsächlich amerikanische Gebäude sind, gebaut für die Astronauten, die hier für den Einsatz auf der Mir trainiert haben.
Dann kommen sie an einem niedrigen Gebäude vorbei, in dem die größte Zentrifuge der Welt untergebracht ist. Sie werfen einen kurzen Blick auf die Straße der Helden (eine seltsam bescheidene Grünanlage ohne Statuen, die heute eine Schneedecke hat) und halten vor dem Museum der Kosmonauten an.
Vasilisa deutet auf die geparkten Autos mit den Regierungskennzeichen und den Nummern von 1 bis 125. Die Nummern orientieren sich an den Kosmonauten, denen die Fahrzeuge gehören, und an der Reihenfolge, in der sie in den Weltraum geflogen sind.
Der Fahrer hält ihnen die Tür auf, und Roth und Vasilisa stapfen rasch durch den Schnee und betreten das nur schwach beleuchtete Museum. Sie geben die Mäntel ab, blicken zum hohen Wandbild von Yuri Gagarin hinauf und erreichen über eine Treppe die Gagarin-Ausstellung, wo eine Büste des Kosmonauten über stark verstaubten Kästen mit Erinnerungsstücken wacht. Vasilisa übersetzt die verschiedenen Tafeln und Inschriften und erklärt, dass die letzte Serie von Objekten am Tage seines Todes aus seinem Flugzeugwrack geborgen worden sei. Er sei im März 1968, sieben Jahre nach seinem 108 Minuten dauernden Weltraumflug, bei einem Übungsflug ums Leben gekommen. Roth kann ein verbranntes Foto des Chefkonstrukteurs Korolew sehen, daneben Gagarins verbrannte Geldbörse, in der sich das Foto befunden hat, den versengten Führerschein des Kosmonauten und sogar ein Reagenzglas mit Staub und Asche vom Wrack.
»Kommt Ihnen das alles nicht ein bisschen morbide vor?«, fragt Roth.
»Ich kenne dieses Wort nicht, Norman. Was heißt morbide?«
»Schon gut.«
Sie wandern einen Flur entlang bis zu einem Schaukasten, in dem die Raumanzüge und Fotos der ersten drei Kosmonauten ausgestellt sind, die 1971 auf Saljut, der ersten sowjetischen Raumstation, gelebt haben.
»Saljut bedeutet ›Gruß‹, nicht wahr?«, fragt Roth.
»Genau.«
»Wen oder was hat die Raumstation Saljut gegrüßt?«
»Yuri Gagarin natürlich.«
Vasilisa liest die Inschrift, die neben den Fotos der Männer angebracht ist. Die Mission der Kosmonauten Georgi Dobrowolsky, Wladislaw Wolkow und Viktor Patsayew auf der Saljut war ungeheuer erfolgreich, und jeden Abend wurden ihre Heldentaten in der Schwerelosigkeit und ihre humorvollen Sendungen über das Fernsehen für das russische Volk übertragen.
Ihr Wiedereintritt in die Atmosphäre verlief ohne besondere Vorkommnisse, die Landung in der russischen Steppe erfolgte nach Plan, nur die Funkverbindung brach aus ungeklärten Gründen ab. Als die Bergungsmannschaften die Kapsel öffneten, waren alle drei Kosmonauten tot. Beim Wiedereintritt hatte sich ein Ventil geöffnet, die Luft war in den Weltraum entwichen, und die drei Männer waren auf ihren Liegen erstickt.
»Wir haben unsere Meere gespeist«, sagt Vasilisa.
Roth schüttelt den Kopf. »Ich dachte, Nitschewo meinte, wir müssten unsere Toten dort oben im Weltraum lassen, bevor das neue Meer wirklich gespeist ist.«
»Vielleicht ist es so.«
Hinter diesem Ausstellungsstück ist etwas zu sehen, das ein ganz gewöhnliches Büro zu sein scheint. Es handelt sich jedoch um eine präzise Nachbildung von Yuri Gagarins Büro, genau
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