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Helix

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Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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überall!«
    Ich genoss Silvester 1999, schrieb Freunden in Moskau und Paris und Berlin um Mitternacht ihrer Zeit E-Mails, rief unsere engsten Freunde in England an, als Mitternacht für sie vorüber war, erkundigte mich, ob sie alle wohlauf seien, und hörte ihre Stimmen aus dem neuen Jahrtausend zu mir dringen. Doch als die Welt in dieser Nacht ausflippte – als wir das erste echte weltweite Ereignis feierten, eine planetenweite Party, während der Jahreswechsel als stürmisches Feuerwerk um die ganze Erde lief –, da konnte ich nicht umhin, mich zu fragen, welche nun bedeutungslosen Nomen und welche immer noch bedeutungsvollen Verben ein Zeitreisender aus dem Jahre 2100 uns wohl als Warnung zurufen würde, wenn er könnte. Schon gut, manchmal ist es besser, wenn wir es nicht so genau wissen. Ich vermute aber, dass die Ironie unserer Feier sogar noch größer und das Ereignis trauriger sein könnte als die Ironie der österreichisch-ungarischen jüdischen Familie, die in der Morgendämmerung des zwanzigsten Jahrhunderts den Jahreswechsel feierte und auf Mitgefühl, Gerechtigkeit und menschlichen Fortschritt hoffte.
    Itbah al-Yahud!
     
    Während ich an einem frühen Septembernachmittag im Jahre 2001 diese Zeilen schreibe, unterbricht NPR die Sendung mit klassischer Musik und bringt die Nachrichten. Die Topmeldung ist ein optimistischer, ja sogar hoffnungsvoller Bericht über die erste internationale Konferenz der Vereinten Nationen zum Rassismus, die »doch noch unter großen Mühen zu einem erfolgreichen Abschluss« gebracht werden soll. Nun, die Nachrichtenleute bei NPR mögen guter Dinge und hoffnungsvoll sein, ich bin es nicht. Die UN-Veranstaltung, deren Ablauf ebenso unbeholfen und großspurig war wie ihr offizieller Titel – »Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz« –, schmückte sich mit solchen Bastionen der Freiheit wie Fidel Castro und Yassir Arafat und artete blitzschnell in einen geifernden Angriff auf Israel aus.
     
    Aus Ekklestiastes 1:4-5, 1:9 und 1:11:
     
    Eine Generation geht, eine andere kommt. Die Erde steht in Ewigkeit.
    Die Sonne geht auf …
    Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was man getan hat, wird man wieder tun: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
    Nur gibt es keine Erinnerung an die Früheren und auch an die Späteren, die erst kommen werden, auch an sie wird es keine Erinnerung geben bei denen, die noch später kommen werden.
     
    Von der »Weltkonferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz«:
     
    Itbah al-Yahud! Tötet die Juden!

Dreißig Tage vor dem letzten Fax feierten die Nachmenschen eine Abschiedsparty im Archipel von New York City. Viele der 9114 Altmenschen nahmen daran teil. Die meisten faxten einfach hinüber, einige flogen mit selbst leuchtenden, durchsichtigen Biozeppelinen ein, die am Anlegeturm des Empire State Building festmachten, andere kamen mit übergroßen Kalmarsubs, etwa fünfhundert Phantasielose benutzten die umgebaute Queen Elizabeth 2, und eine Handvoll flog oder schwebte mit individuell angepassten Sonies ein.
    Pinchas und Petra faxten am zweiten Abend der fünftägigen Feier herein. Sie hatten gehofft, Savi anzutreffen, doch ihr Proxnetleitstrahl blinkte nicht, und eine physische Suche auf dem Archipel verlief ergebnislos. Sie blieb verschwunden und unsichtbar. Pinchas und Petra waren enttäuscht, verbrachten aber dennoch einige Stunden auf der Party.
    Der Archipel war hell beleuchtet. Zwischen dem strahlenden Empire State Building und anderen beleuchteten historischen Türmen, die sich aus dem dunklen Wasser erhoben, schwammen Kerzenkugeln unter den Sumpfkoniferen und auf den Kanälen im Farnwald. Auf und über der QE2, die am Chrysler Building angelegt hatte, brannte die Festbeleuchtung, darüber schwebten wie Quallen die selbst leuchtenden Zeppeline, von unten spendeten die Tauchboote Licht, und in einem fast unablässigen Sperrfeuer von Farben und Lärm explodierten Raketen. Hoch über dem Feuerwerk wechselten der A-Ring und der P-Ring die Farben, durchliefen das gesamte Spektrum und nahmen auch einige Farbtöne an, die für das menschliche Auge nicht sichtbar waren, um die erste der vielen tausend Partys vor dem letzten Fax zu feiern.
    »Ganz schönes Theater«, sagte Pinchas.
    Petra drückte seinen Oberarm. »Hör auf damit. Du hast es versprochen.«
    Pinchas nickte und

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