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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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besorgte sich bei einem Servitor, der gerade vorbeikam, einen Drink. Er und Petra wanderten im kleinen Geviert der erweiterten ehemaligen Beobachtungsplattform des Empire State Building herum und traten zur Seite, um Gruppen von Zeppelin-Fahrgästen über die gusseisernen Wendeltreppen von der Anlegeplattform heruntersteigen zu lassen.
    Alle schienen recht gelöster Stimmung zu sein, abgesehen höchstens von den unvermeidlichen Voynixen, die hier und dort herumstanden und aussahen wie Käfer aus rostigem Eisen und gegerbtem Leder.
    Pinchas kippte einem von ihnen einen Teil seines Drinks über den Panzer.
    »Bist du betrunken?«, fragte Petra.
    »Ich wünschte, ich wäre es.« Pinchas ballte eine Hand zur Faust und schlug nach dem eiförmigen Voynix, der einen halben Meter über ihm schwebte. Es klang hohl. »Ich wünschte, die verdammten Dinger hätten Augen.«
    »Warum?«
    »Dann würde ich meinen Daumen in eins davon drücken.« Er tippte mit dem Finger auf den eiförmigen schwarzen Chitinpanzer. Es hallte dumpf.
    Der Voynix tat, was Voynixe normalerweise tun. Er ignorierte ihn.
    Eine Nachmenschliche in einer Iteration, die Petra und Pinchas als Moira bekannt war, schwebte über ihnen durch die Menge. Sie trug ein festliches goldenes Kleid, und das graue Haar auf dem anmutigen Kopf war sehr kurz geschnitten.
    »Meine Lieben«, sagte sie, »ich hoffe, Sie haben einen absolut wundervollen Abend?«
    »Absolut«, entgegnete Petra.
    »Wundervoll«, sagte Pinchas. Er sah Moira an und fragte sich nicht zum ersten Mal in den zweihundert Jahren, die er jetzt lebte, warum alle Nachmenschlichen weiblichen Geschlechts waren.
    Moira lachte erfreut. »Gut, das ist gut. Später wird uns der Illusionist Dahoni unterhalten. Ich glaube, er will die QE2 verschwinden lassen. Schon wieder!« Sie lachte noch einmal.
    Petra lächelte und trank einen Schluck eisgekühlten Wein. »Wir suchen unsere Freundin Savi.«
    Moira zögerte einen Augenblick, und Pinchas fragte sich, ob sie sich überhaupt erinnerte, wer sie waren. Sie waren sich im Laufe der Jahrhunderte ein paar Dutzend Mal begegnet – oder vielmehr nahm Pinchas es an und unterstellte einfach, es sei stets dieselbe Nachmenschliche, die in der Moira-Iteration auftrat –, doch sie hatte sie mit »Meine Lieben« angeredet und damit die alte Paranoia genährt, alle Altmenschen sähen für die Nachmenschen gleich aus.
    »Savi, die Kulturhistorikerin?«, sagte Moira und zerstörte damit diese Theorie. »Sie war natürlich eingeladen, aber wir haben keine Bestätigung von ihr bekommen. Ich erinnere mich, dass sie eine gute Freundin von Ihnen war, Petra, und von Ihnen natürlich auch, Pinchas. Wenn sie auftaucht, werde ich ihr selbstverständlich sagen, dass Sie hier sind.«
    Pinchas nickte und trank sein Glas aus. Er hatte einen Augenblick vergessen, wie leicht diese Konstrukte in seinem schönen, aber unfertigen Homosap-Gesicht lesen konnten. Wer brauchte da noch Telepathie?
    »Ja, wer?«, stimmte Moira zu und lachte. Sie berührte seinen Arm, tätschelte Petras Wange, winkte einen Servitor herbei, der ein Tablett mit warmen Häppchen herumtrug, und schwebte davon, um sich unter die anderen Gäste zu mischen.
    »Sie ist nicht hier«, sagte Pinchas.
    Petra nickte und blickte auf ihre Handfläche. »Kein Leitstrahl, kein Compoint, kein Faxtrail, keine Botschaften für uns auf Far oder Prox. Ich weiß ja, dass sie manchmal allein sein will, aber so langsam mache ich mir Sorgen.«
    »Vielleicht hat sie bereits das letzte Fax gemacht«, sagte Pinchas.
    Petra sah ihn entgeistert an.
    »Schon gut«, meinte Pinchas und hob beschwichtigend die Hände. »War kein guter Witz.«
    »Genau«, sagte Petra. Sie nahm ihm den Drink ab und stellte das Glas auf das Geländer der Aussichtsplattform. Ein paar Meter entfernt machte sich jemand bereit, einen Bungeesprung zum dreißig Stockwerke tiefer schwappenden Wasser zu versuchen. Petra kehrte den Zuschauern, die im Chor den Countdown für den Sprung riefen, den Rücken. »Wir wollen sie suchen«, sagte sie.
    Pinchas nickte und nahm ihre Hand. Sie faxten hinaus.
     
    Savi träumte schon wieder vom Manhauling.
    Sie drehte sich und warf sich im bläulichen Licht ihrer Eishöhle hin und her. Die kleinen Heizstrahler und die dicke Thermodecke sorgten dafür, dass sie nicht fror. Sie träumte von kalten Gletschern, kahlen Klippen, Pemmikan-Eintopf, Männern mit verschmierten Gesichtern, in Segeltuch und Wolle gekleideten Männern, die sich tief in

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