Helix
ausgetauscht hatten. Nicht einmal Hauben, Sichtblenden, Stirnscheinwerfer und Heizschläuche mit warmem Wasser fehlten.
Das war auch gut so. Das Foyer war eine Tiefkühltruhe. Schwarz und eiskalt.
»Was, zum Teufel, hat das zu bedeuten?« Er hatte Savis Haus am Mount Erebus noch nicht gesehen, obwohl er und sie mehrere Jahre vor ihrem Umzug hierher Geliebte gewesen waren, aber er wusste, dass sie nicht einfach ihr Haus im Stich ließ, um Urlaub zu machen.
Petra nickte, als sie die Tür von Savis Behausung bemerkte. Sie stand offen.
Pinchas fühlte sich wie ein Eindringling, als er eintrat. Savis Wohnung war voller Möbel und wahllos gesammelter Gegenstände. Einige Stapel reichten fast bis an die niedrige Decke, doch die Wohnung war weitläufig und hatte mehrere Stockwerke. Sie hatte das Haus aus alten Appartementmodulen und noch älteren Gebäuden gebaut, die sie in den Überresten der ehemaligen Hauptstadt der Antarktischen Republik, McMurdo, ausgegraben hatte. Petra und Pinchas brauchten zwanzig Minuten, um einmal rundherumzugehen.
Petra fand einen Lichtschalter, doch die in die Wand eingelassenen Lampen blieben dunkel. Savi hatte das Haus offenbar komplett vom Stromnetz getrennt. Aber warum?
Pinchas fand ein paar Halogenstäbe und ergänzte die Lichtkegel ihrer Stirnscheinwerfer durch die Leuchtstäbe, als sie von Raum zu Raum wanderten. Die lang gestreckten, dreifach verglasten Fenster boten im Sommer gewiss einen atemberaubenden Ausblick. Das Haus lag hoch am Hang des Vulkans, und der Blick ging nach Norden. Jetzt aber herrschte draußen vor dem mit Raureif überzogenen Glas die antarktische Nacht. Savis Wohnzimmer wirkte gemütlich und nicht ganz so vollgestopft wie der Rest der Wohnung. Petra sagte, ihrer Ansicht nach fehlten einige Möbel. Sie hatte Savi gelegentlich hier besucht, als sie und Savi Geliebte gewesen waren, doch sie war nicht sicher.
Die langen, schmalen Arbeitsräume, Bibliotheken und Lager wirkten im Schein der Stirnlampen surreal. Eispartikel schwebten in der Luft, die Flächen waren mit Raureif und Eiskristallen beschlagen, und selbst durch die molekularen Handschuhe des Thermoanzugs fühlte sich alles sehr kalt an.
Pinchas berührte einige glatte, schwarze Brocken in der Größe von Trilobiten, die auf dem Tisch lagen. »Was ist das?«
»DNS-Computer«, sagte Petra. »Frühes zwanzigstes Jahrhundert, würde ich sagen. Savi hat sie in den McMurdo-Ablagerungen ausgegraben.«
Trotz der gespenstischen Umgebung musste Pinchas grinsen. »Die Computer hatten damals Gehäuse? Sie waren physikalische Objekte?«
»Ja«, sagte Petra. »Schau mal, hier.« Sie waren in Savis zentrales Wohnmodul zurückgekehrt. Petra hatte einige alte Lesegeräte und gebundene Bücher aufgehoben und hielt ein modernes Pergament hoch. »Das hier ist Savis Handschrift.«
Pinchas war beeindruckt. »Du kannst lesen?«
»Nein«, sagte Petra. »Aber ich erkenne ihre Handschrift. Ich weiß, dass es nach allem, was wir schon getan haben, noch eine weitere Grenzüberschreitung wäre, wenn wir es lesen, aber …«
»Aber es könnte eine Nachricht für uns sein … oder besser, an dich«, sagte Pinchas. Er legte die Hand auf das Pergament und wollte die Lesefunktion aktivieren und die goldenen Worte über seinen Arm wandern lassen.
Petra fasste sein Handgelenk. »Nein, mach das nicht!«
Pinchas war überrascht und verwirrt, ließ aber gehorsam die Hand wieder sinken.
Petra zog hinter ihrem Visier ein verlegenes Gesicht. »Ich dachte nur … ich meine, wenn du die Lesefunktion aktivierst, gehen die Daten durch einen der Ringe. Ich meine …« Sie brach ab.
Pinchas sah sie stirnrunzelnd an. »Jetzt werden wir aber ein wenig paranoid, was?«
»Mag sein«, sagte Petra. »Aber ich dachte, wir suchen uns vielleicht lieber einen Altmenschen, der lesen kann und es uns übersetzt.«
»Kennst du denn jemanden, der lesen kann?«
Petra starrte das Pergament an und nickte. »Ein Gelehrter namens Graf. Außerdem hat er sich mit Savi angefreundet, als die beiden bei den Ausgrabungen in Paris zusammengearbeitet haben. Wir könnten mit ihm Verbindung aufnehmen und ihm das hier zeigen.« Sie faltete das Pergament zusammen und schob es durch die dünne Membran des Thermoanzugs in die Hosentasche.
»Ich denke, wir sollten noch warten, ehe wir es entschlüsseln«, wandte Pinchas ein. »Uns bleiben noch dreißig Tage. Geben wir Savi doch noch etwas Zeit, um zurückzukommen, bevor wir ihre privaten Notizen
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