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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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die Nachmenschen gemeint«, überlegte Petra. »Aber warum hat sie das aufgeschrieben? Das wissen wir doch sowieso.«
    »Der Teil, der darauf folgt, ist allerdings interessant«, sagte Pinchas. »Wie hieß es noch genau, Graf?«
    »Faxgeräte im 20. Jahrh. arbeiteten mit Orig.«, las der Gelehrte.
    »Was ist ein Orig?«, fragte Stephen.
    »Ich glaube, das ist eine Abkürzung für ›Originale‹«, sagte Pinchas. »Ich habe mal etwas über Faxgeräte gehört. Es war eine Technik, um Schriftstücke digital zu übermitteln, bevor das erste Internet existierte. Das war lange, bevor das erste erfolgreiche Quantenfax mit diesem Begriff belegt wurde.«
    »Ich glaube, diese Technik wurde auch nach der Entwicklung des Internet noch eingesetzt«, sagte Graf. »Aber die ursprünglichen mechanischen Faxgeräte haben einfach ein Original kopiert. Eine Quelle, die auf physisches Papier geschrieben war. Die Kopie wurde dann elektronisch verschickt, aber das Original existierte weiter. Nur, was sagt uns das jetzt?«
    »Vielleicht will Savi sagen, dass die Nachmenschen irgendwo die Originale von uns aufbewahren«, meinte Petra. »Gefrorene Körper wie Eis am Stiel, die zu ihrem Vergnügen lobotomisiert und aufgetaut werden können. Vielleicht setzen sie unsere Originale da oben zur Sklavenarbeit ein oder für irgendetwas anderes. Als Sexsklaven.«
    Es gab ein unbehagliches Lachen am Tisch.
    »Gut«, sagte Hannah, »jetzt fühle ich mich schon viel besser, was das letzte Fax angeht. Ich dachte, ich müsste für immer ein Neutrino bleiben. Sie sagen, sie wollten uns in zehntausend Jahren aus dem Übergangsmodus herausnehmen, wenn die Erde so hergerichtet ist, wie sie sie haben wollen, aber wer weiß? Wenn der Neutrinostrom irgendwo da draußen verloren geht, können sie immer noch mein Original auftauen. Mir würde es nichts ausmachen, eine Sexsklavin zu sein … nur dass alle Nachmenschen weiblich sind, und in diese Richtung neige ich eigentlich nicht.«
    Diese Bemerkung wurde nicht mit Gelächter, sondern mit Schweigen quittiert. Schließlich sagte Pinchas: »Ich dachte, ich beherrschte das Prärubikon-Englisch recht fließend, aber die sechste und die siebte Zeile von Savis Notiz kann ich nicht lesen.«
    Graf nickte. »Ein Teil davon ist hebräisch«, sagte er leise. »Kaddosh – das würde ich hier wohl als ›heilig‹ übersetzen. Möglicherweise. Haram esh-Sharif und Itbah al-Yahud ist Arabisch. Haram esh-Sharif ist ein Ort in Jerusalem. Der Tempelberg. Wo der Felsendom gestanden hat.«
    »Wurde der Felsendom nicht während der Demenz in die Luft gejagt?«, fragte Frome.
    Graf nickte. »Davor standen der Erste und der Zweite Tempel auf diesem Fleck. Jetzt kommt bald ein Tag, den man Tisha B’Av nennt. An diesem Tag haben die Juden traditionell über diese Ereignisse getrauert, und an diesem Tag sind viele traurige Dinge geschehen.«
    Petra nahm dem Gelehrten das Pergament ab und betrachtete stirnrunzelnd die Schrift, die sie nicht verstehen konnte. »Vielleicht hat Savi deshalb auch etwas geschrieben über – wie hieß es noch gleich? Juden. Rubikon. Tel Aviv.«
    »Ja«, sagte Graf. »Ich glaube, die ersten Fälle von Rubikon wurden um den Tisha B’Av herum gemeldet. Viele Leute glaubten sogar, das Virus stamme ursprünglich aus …«
    »O Jesus«, unterbrach Hannah. »Diese alten Verleumdungen. Ich habe die Gerüchte gehört, das Rubikon-Virus sei aus irgendeinem Biowaffenlabor in Tel Aviv entwichen. Diese Lüge war ein Produkt der dementen Jahre.«
    Graf zuckte mit den Achseln. »Wie wollen wir das wissen? Wir haben damals noch nicht gelebt, und die Nachmenschen reden nie darüber. Außerdem ist es ja wahr, dass wir alle – wir neuntausend und ein paar mehr – von den Juden abstammen.«
    »Und wir sind alle steril«, sagte Hannah bitter. »Und nun? Ein paar Juden hatten dieses seltene Gen, das sie vor dem Rubikon-Virus geschützt hat, aber die Nebenwirkung war, dass ihre Nachkommen allesamt unfruchtbar wie Maultiere sind. Nicht einmal die Übertragungsapparate können das in Ordnung bringen. Und außerdem stammen wir alle von irgendeinem afrikanischen Hominiden ab, sogar die Nachmenschen, aber das heißt nicht, dass wir noch irgendeine Erinnerung an die afrikanische Stammeskultur hätten. Die Juden waren nichts anderes … ein Stamm. Eine primitive Kultur. Ein vergessener Stamm.«
    »Nicht völlig vergessen«, wandte Graf ein. Er starrte Hannah an. Zwischen den beiden gab es einen Konflikt, der über die derzeitige

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