Helix
Quantenmuster im Faxspeicher. Das müssen Sie doch verstehen. Aber auch die sind im strengen Sinne keine Originale, wie Sie es ausdrücken, denn nach einem Update sind die Erinnerungen und die persönlichen Wellenmuster nie mehr wie zuvor, sondern sie verändern sich von Mikrosekunde zu Mikrosekunde, oder gar von Fax zu Fax. Nein, meine Liebe, es gibt keine versteckten Originale.«
»Wann wird Savi wieder da sein?«, fragte Pinchas. »Können wir sie heute noch sehen?«
»Ich fürchte nein«, sagte Moira. »Die Transkriptionsreparatur wird erst in zwei oder drei Tagen abgeschlossen sein.«
»Ich habe aber gehört, dass Änderungen des Quantenzustandes augenblicklich eintreten«, wandte Petra misstrauisch ein.
Moira lächelte nachsichtig. »Das trifft auch zu, meine Liebe, das trifft auf jeden Fall zu. Doch die organische Rekonstruktion erfordert eine gewisse Zeit. In ein paar Tagen wird Ihre Freundin wieder bei Ihnen sein.«
»Aber wir sind in ein paar Tagen verschwunden«, sagte Petra. Sie wollte es nicht, doch ihre Stimme klang sehr weinerlich.
Moira schüttelte den Kopf. »Nein, Sie sind nicht verschwunden, meine liebe Petra. Sie befinden sich nur in einem modulierten Quantenzustand, Sie sind in Sicherheit und befinden sich auf einem Möbiusband im Neutrinostrom. Savi wird ebenfalls dort sein. Sie müssen verstehen, dass Sie kein Gefühl mehr für die verstreichende Zeit haben werden. Für Sie alle wird es nicht mehr sein als ein Augenzwinkern, für uns werden dagegen zehntausend recht ermüdende Jahre vergehen.«
»Das sagen Sie«, sagte Pinchas.
»Ja.« Moira strahlte sie an.
Pinchas und Petra stiegen weder in ihren Wagen und kehrten ins israelische Bergland zurück.
Am Morgen des letzten Fax gingen Petra und Pinchas im Roten Meer direkt vor der großen Mauer tauchen. Am Gürtel trugen sie handtellergroße Störsender, mit denen sie Hammerhaie oder andere Raubfische, die sich in diesem von der Sonne durchfluteten Gewässer für sie interessieren mochten, vertreiben konnten. Doch abgesehen von Seeanemonen und anderen Pflanzen, die in der trügerischen Strömung leise nickten, waren sie allein.
Später liebten sie sich im weichen Sand, dann liebten sie sich noch einmal. Danach lagen sie entspannt beisammen, wie es ihre Gewohnheit war, Pinchas’ Kopf auf Petras linker Brust, während sie leicht seinen entspannten Penis und sein Skrotum drückte. Flüsternd unterhielten sie sich.
»Hast du geglaubt, was die Nachmenschliche … was sie über Savi erzählt hat?«, fragte Petra. Ihre Finger kannten ihn gut.
Mit geschlossenen Augen, in der Nase den fernen Jodgeruch von Seetang und den viel näheren Duft von Petras süßem Schweiß und ihrer Haut, sagte Pinchas: »Ich weiß nicht. Es ist mir aber auch egal.«
»Tja«, sagte Petra und küsste ihn auf den Kopf. »Morgen werden wir es wissen.«
Pinchas küsste ihre Brustwarze. »Ja. Morgen werden wir es wissen.«
»Falls es ein Morgen gibt«, flüsterte Petra.
»Ja«, sagte Pinchas und rieb mit der Wange über ihre Brust. Sein Penis regte sich und wurde in ihrer Hand steif.
»Du lieber Himmel«, sagte Petra. Sie fasste ihn fester und küsste ihn, als er ihr sein Gesicht entgegenhob.
»Ja«, hauchte Pinchas ihr ins Ohr.
Das letzte Fax sollte direkt nach Sonnenuntergang im Nahen Osten stattfinden. Alle Altmenschen der Erde sollten im gleichen Augenblick weggefaxt werden. Viele von ihnen hatten für diesen Abend Partys geplant, aber die meisten wollten das Ereignis lieber einsam begehen, oder – wie Petra und Pinchas – mit jemandem, den sie liebten.
Zum Abendessen faxten sie nach Jerusalem. Pinchas war im Gegensatz zu Petra schon einmal dort gewesen. Die Stadt war leer bis auf die Servitoren, die ihnen im King David Hotel westlich der Mauern der Altstadt ein exzellentes Mahl servierten. Eine Stadt, leer bis auf die Servitoren und die Voynixe. Es schienen viele Voynixe in der Nähe zu sein.
Das Gemüse war frisch und gut zubereitet, das Lamm ausgezeichnet und der Wein exzellent, doch sie achteten kaum darauf. Ab und zu hielten sie Händchen.
Nach dem Essen, als die Sonne im Westen über der Gaza Road rot und niedrig am Himmel hing, wanderten sie Hand in Hand durchs Jaffator in die Altstadt. Petra und Pinchas mieden die David Street und andere Hauptstraßen und liefen durch den überdachten Irrgarten des früheren Christenviertels und des früheren Moslemviertels. Die Souks lagen überwiegend in tiefem Schatten, doch in der Nähe der Grabkirche
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