Helix
Jahren aus irgendeinem Grund nicht erzählt haben.
Nun, hier ist die Zusammenfassung meiner Aufzeichnungen der Kommunikation zwischen Mensch und Mantispa am vergangenen Abend im Lager Eins.
Gary: Äh … Kan … Kanakaredes? Wir möchten unsere drei Zelte koppeln und etwas Suppe kochen und dann früh ins Bett gehen. Würde es dir etwas ausmachen, heute Nacht dein Zelt einzeln aufzustellen? Da drüben auf der Schneefläche ist Platz genug für uns alle.
Kanakaredes: Damit habe ich kein Problem.
So viel zu dem Auftrag, unsere Wanze auszuhorchen.
Wir müssten bis heute Abend erheblich höher sein. Wir sind den ganzen Tag über gut gestiegen, aber wir sind immer noch im unteren Teil des Nordostgrats, und wir müssen schneller vorankommen, wenn wir in den zwei Wochen, die wir haben, auf diesen Hügel hinauf und wieder hinunter wollen.
Die Begriffe »Camp Eins« und »Camp Zwei«, die ich in meinem Palmlog-Tagebuch verwendet habe, stammen aus dem letzten Jahrhundert, als die Besteigung von Achttausendern buchstäblich noch ganze Armeen von Männern und Frauen erforderte. Mehr als zweihundert Menschen haben für die erste amerikanische Everest-Expedition im Jahre 1963 Vorräte geschleppt. Einige Gipfel haben die Form von Pyramiden, und die Logistik war immer pyramidenförmig aufgebaut. Damit meine ich, dass Dutzende von Trägern unzählige Tonnen von Vorräten schleppen mussten – Sherpa-Träger und gebirgstüchtige Helfer im Himalaja, hier im Karakorum vor allem Balti-Träger. Trupps von Männern und Frauen schleppten diese Tonnen die Berge hinauf, arbeiteten umschichtig und richteten für die Dauer der Besteigung Lager ein. Sie rüsteten über Meilen hinweg die Steilhänge mit Fixseilen aus. So kamen die Gruppen der Bergsteiger immer höher und höher, bis nach Wochen, manchmal sogar erst nach Monaten, ein paar der besten und glücklichsten Bergsteiger – vielleicht sechs oder vier oder nur zwei von den Dutzenden, die aufgebrochen waren – von einem hohen Camp aus den Gipfel selbst in Angriff nehmen konnten. Das letzte Lager war gewöhnlich Camp Sechs, manchmal sogar Camp Sieben oder noch höher und befand sich bereits irgendwo oberhalb von 8000 Metern in der Todeszone. Es trifft die Umstände genau, wenn ich sage, dass sie den Berg in »Angriff« genommen haben, denn man brauchte tatsächlich eine Armee, um diesen Angriff zu wagen.
Gary, Paul, die Wanze und ich klettern im Alpinstil. Das bedeutet, dass wir alles, was wir brauchen, bei uns tragen. Wir beginnen schwer bepackt und lassen unterwegs, während wir aufsteigen, immer mehr Gepäck zurück. Im Grunde halten wir direkt auf den Gipfel zu und hoffen, ihn binnen einer Woche oder gar schneller zu erreichen. Es gibt keine Kette von Dauercamps, nur vorübergehende Unterstände, die wir für unsere intelligenten Zelte in Schnee und Eis hacken. Irgendwann wird dann ein Lager aufgeschlagen, von dem aus wir den letzten Vorstoß zum Gipfel unternehmen wollen. Dort lassen wir die Zelte und den größten Teil der Ausrüstung zurück, klettern weiter und hoffen und beten zu den Göttern, die uns nahestehen – wer wusste schon, zu welchen Göttern Kanakaredes beten mochte, falls überhaupt –, dass das Wetter nicht umschlägt, während wir da oben in der Todeszone sind, dass wir uns auf dem Rückweg zum Hochlager nicht im Dunkeln verlaufen, dass auf diesem letzten Abschnitt keinem von uns etwas Ernstes zustößt, weil wir uns in dieser Höhe nicht helfen können. Im Grunde beten wir flehentlich darum, dass wir es nicht vermasseln.
So weit wird es aber nur kommen, wenn wir uns gleichmäßig diesen Hügel hinaufbewegen. Heute hat es nicht so gut geklappt.
Wir sind früh aufgebrochen und haben Camp Eins in wenigen Minuten abgebaut. Wir haben routiniert gepackt und sind gut aufgestiegen. Ich vorneweg, dann Paul, dann die Wanze, dann Gary. Da oben gibt es eine verflucht schwierige Traverse über einen rasiermesserscharfen Grat, die in etwa 23.300 Fuß Höhe beginnt. Es ist der schwierigste Abschnitt auf dem Nordostgrat, und wir wollten am Abend, vor Einbruch der Dunkelheit und direkt vor dem Beginn dieser gefährlichen Traverse, ein sicheres Lager aufschlagen. Doch wir hatten Pech.
Ich konnte einige Kommentare aufzeichnen, die Kanakaredes heute abgegeben hat, aber sie waren überwiegend einsilbig und konnten keine großen Wanzen-Geheimnisse offenbaren. Es waren eher Gesprächsfetzen wie: »Kana … Kanaka … hey, K, hast du den Reserveofen eingepackt?« – »Ja.«
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