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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Fuß tief, noch im Licht und einigermaßen wohlauf, während er sich mit dem Rücken an die blaugrüne Eiswand stemmte und seine Jumars einrichtete. Mit diesen Steigklemmen, die erheblich leichter und stärker, aber ansonsten genau das waren, was auch unsere Großväter schon benutzt haben mochten, konnte er aus eigener Kraft wieder nach oben klettern, solange nur das Seil hielt und er die Fußschlingen richtig anlegen konnte.
    Gary hatte es nicht ganz so bequem. Er war fast vierzig Fuß tief unten und hing kopfüber an einem eisigen Überhang. Seine Steigeisen und sein Hintern waren noch im Licht, und es schien, als sei er ernstlich in Schwierigkeiten. Wenn er sich beim Sturz den Kopf angeschlagen hatte …
    Dann hörte ich ihn schimpfen. Seine unglaublichen Verwünschungen und Flüche gingen in der Gletscherspalte fast unter und hallten dumpf zu mir herauf. Er fluchte direkt in den Bauch des Gletschers hinein, und ich wusste, dass er wohlauf war.
    Paul brauchte höchstens eine Minute oder so, um mit den Jumars wieder nach oben zu kommen, doch es dauerte etwas länger und erforderte einige körperliche Anstrengung, Gary wieder aufzurichten und über den überhängenden Eisvorsprung zu bugsieren, bis er seine eigenen Jumars anbringen konnte.
    Dabei wurde mir auch klar, wie verdammt stark diese Wanze war. Ich glaube, Kanakaredes hätte uns alle drei aus dem Spalt ziehen können, wenn wir bewusstlos gewesen wären. Weit über fünfhundert Pfund Lebendgewicht. Und ich glaube, er hätte es allein mithilfe seiner dürren Insektenarme tun können, die so aussahen, als hätten sie überhaupt keine Muskeln.
    Als Gary wieder oben war und sich von Seilen, Geschirr und Jumars befreit hatte, umgingen wir vorsichtig die Gletscherspalte. Ich hatte die Führung übernommen und stocherte wie ein Blinder in einem Tal voller Rasierklingen herum. Schließlich fanden wir eine gute Stelle für unser erstes Lager direkt am Fuß des Grates. So blieb uns am Morgen nur noch ein kurzer Anstieg bis zum Nordostgrat, auf dem wir bis zur Schulter des K2 selbst vorstoßen wollten. Im letzten Sonnenlicht fanden wir einen geeigneten Flecken, lösten das Seil aus den Karabinerhaken, warfen die sechzig Pfund schweren Rucksäcke ab und blieben eine Weile keuchend sitzen, ehe wir das Lager aufschlugen.
    »Das war ein verdammt mieser Anfang für eine gottverdammte Expedition«, fluchte Gary, während er aus seiner Wasserflasche trank. »Verfluchter Mist, das war eine Spitzenleistung, wie ich in diese beschissene Gletscherspalte gerannt bin wie ein kreuzdämlicher Idiot von Anfänger.«
    Ich warf einen Blick zu Kanakaredes. Wer konnte schon den Gesichtsausdruck einer Wanze deuten? Dieser riesige Mund mit seinen Auswüchsen und Höckern, der zwei Drittel rings um den Kopf bis fast zu dem höckerigen Kamm verlief und vorn einen schnabelartigen Vorsprung hatte, schien immer zu lächeln. War das Lächeln jetzt etwa ein wenig breiter geworden? Schwer zu sagen, und ich war nicht in der Stimmung, ihn zu fragen.
    Eines aber war nicht zu übersehen. Der Mantispa hatte ein kleines, durchsichtiges Gerät herausgeholt – etwas, das unseren Palmlogs für Kreditkarten sehr ähnlich war – und gab mit drei fliegenden Fingern Daten ein. Ein Lexikon, dachte ich. Er übersetzte oder speicherte Garys Ausbruch, der, wie ich zugeben musste, eine prächtige Sammlung von Flüchen darstellte. Immer noch stieß er Verwünschungen aus, und der Strom riss nicht ab. Wahrscheinlich würde dieser erboste Ausbruch noch Jahre danach als bläuliche Wolke über dem Godwin-Austen-Gletscher schweben.
    Viel Spaß, wenn du diese Vokabeln bei einer deiner UN-Cocktailpartys benutzt, dachte ich, als Kanakaredes seine Eingaben beendete und sein Palmlog verstaute.
    Als Gary endlich zu fluchen aufhörte, wechselten Paul und ich einen Blick und grinsten. Paul hatte kein Wort gesagt, seit er in die Gletscherspalte gestürzt war. Dann bauten wir die intelligenten Zelte auf, rollten die Schlafsäcke aus und zündeten die Öfen an, bevor es mit aufkommender Dunkelheit im ersten Lager so kalt wurde wie auf dem Mond.
     
     
    Camp Zwei, zwischen einer Wechte und einem Lawinenhang, etwa 20.000 Fuß
     
    Ich mache diese Aufzeichnungen für den Geheimdienst des State Department und für alle anderen, die etwas über die Wanzen wissen wollen – über die Technologie der Mantispa, über ihre Gründe, die Erde zu besuchen, über ihre Kultur und ihre Religionen. Alles, was sie uns in den letzten neuneinhalb

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