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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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– »Wollen wir Mittagspause machen?« – »Das wäre schön.« Dann Gary: »Verdammt, es beginnt zu schneien.« Wenn ich es mir recht überlege, hat der Mantispa von sich aus noch kein einziges Mal ein Gespräch begonnen. Das Klicken und Seufzen auf dem Palmlog-Chip sind lauter Antworten auf unsere Fragen. Die Flüche dagegen stammen allein von uns.
    Gegen Mittag begann es heftig zu schneien.
    Bis dahin war alles gut verlaufen. Ich hatte immer noch die Führung und verbrannte mit irrsinniger Geschwindigkeit Kalorien, während ich den Weg festlegte und für die anderen, die mir folgten, Stufen in den steilen Abhang trat. Wir kletterten unabhängig und waren nicht angeseilt. Wenn einer von uns ausrutschte oder seine Steigeisen auf Fels statt ins Eis setzte, lag es bei ihm selbst, sich mit dem Eispickel zu sichern und den Absturz zu verhindern. Ansonsten stand ihm eine großartige, kreischende Rutschpartie über tausend Fuß Eis bevor, danach ein Sturz über die Kante ins Leere, bis er drei- oder viertausend Fuß tiefer auf dem Gletscher aufschlug.
    Am besten denkt man nicht weiter darüber nach, sondern bleibt auf dem Schneehang jederzeit gut gesichert und sorgt dafür, dass man, egal, wie erschöpft man ist, jederzeit noch weiß, wo man die Steigeisen ins Eis gestoßen hat. Ich hatte keine Ahnung, ob Kanakaredes Höhenangst hatte, und nahm mir müde vor, ihn zu fragen, aber sein Kletterstil verriet Vorsicht und Umsicht. Seine »Steigeisen« waren eigens für ihn angepasst – eine Reihe spitzer, nach Plastik aussehender Dorne, die er sich an die eigenartigen, pfeilförmigen Füße geschnallt hatte. Er achtete genau darauf, wohin er sie setzte, und wusste auch seinen Eispickel zu gebrauchen. Heute kletterte er zweibeinig, die Hinterbeine hatte er unter dem erhöhten Protothorax zusammengefaltet, und man konnte sie nur sehen, wenn man wusste, wo man hinschauen musste.
    Um 10.30 Uhr oder 11.00 Uhr hatten wir genug Höhe gewonnen, um den Staircase Peak – sein Ostgrat sieht aus wie eine Treppe für einen Hindu-Riesen – an der nordöstlichen Seite des K2 erkennen zu können. Der Berg, der auch Skyang Kangri genannt wird, erhob sich wunderschön und blendend hell vor dem immer noch blauen Osthimmel. Weit unter uns konnten wir den Godwin-Austen-Gietscher am Fuße des Skyang Kangri zum 19.000 Fuß hohen Pass Windy Gap kriechen sehen. Wir konnten jetzt sogar über den Windy Pass hinwegschauen, zig Meilen bis zu den braunen Hügeln, die einst zu China gehört hatten und mittlerweile das sagenhafte Land Sinkiang bildeten. Während wir kletterten, kämpften dort Truppen des HK gegen verschiedene chinesische Kriegsherren.
    Wichtiger für unser Vorhaben war jetzt der Blick hinauf und nach Westen zum prachtvollen, aber beinahe lächerlich großen Klotz des K2 mit dem wilden, messerscharfen Grat, den wir bis zur Dämmerung erreichen wollten. Kurz bevor ich noch einmal hinschaute, dachte ich, es dürfte doch eigentlich kein Problem sein …
    Genau in diesem Augenblick rief Gary herauf: »Verdammt, es beginnt zu schneien!«
    Die Wolken waren unbemerkt von Süden und Westen herangewalzt, und zehn Minuten später waren wir von ihnen umgeben. Wind kam auf. Schnee fegte rings um uns. Wir mussten uns auf dem steiler werdenden Hang sammeln, um einander nicht zu verlieren. Natürlich verwandelte sich unser steiler, aber nicht sehr schwieriger Abhang genau in diesem Augenblick und an dieser Stelle in eine abweisende Wand aus Eis mit einem kleinen Streifen brüchigen Felsens, den wir noch ein paar Minuten lang, bevor die Wolken uns für den Rest des Tages endgültig die Sicht nahmen, sehen konnten.
    »Leck mich doch«, sagte Paul, als wir uns am Fuß des Eishangs versammelt hatten.
    Kanakaredes’ wuchtiger Kopf mit dem Schnabel drehte sich langsam zu Paul herum. Die schwarzen Augen beobachteten ihn aufmerksam, als warte er auf die praktische Umsetzung des Vorschlags. K stellte keine Fragen, und Paul bot ihm von sich aus keine Erklärung an.
    Paul, der beste Eiskletterer unter uns, übernahm für ungefähr eine halbe Stunde die Führung. Er hackte seine Axt in die fast senkrechte Eiswand, trat mit den beiden Spitzen vorne an seinem Schuh fest zu und zog sich mit dem rechten Arm hoch. Dann trat er zwei neue Löcher ins Eis, zog die Axt heraus und hackte sie wieder ins Eis.
    Das ist die grundlegende Technik beim Eisklettern. Es ist nicht schwer, aber in fast 20.000 Fuß Höhe sehr anstrengend – doppelt so hoch wie die Flughöhe, in der

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