Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
CMGs und Linienmaschinen auf künstlichen Kabinendruck umschalten. Und es dauerte lange, zumal wir uns jetzt angeseilt hatten und Paul sicherten, während er trat und kletterte.
    Paul war ungefähr siebzig Fuß über uns und bewegte sich vorsichtig auf dem Felsvorsprung weiter. Auf einmal löste sich eine Ladung kleiner Steine und stürzte auf uns herab.
    Ausweichen konnten wir nicht. Wir hatten uns winzige Plattformen aus dem Eis gehackt, auf denen wir stehen konnten, also blieb uns nichts anderes übrig, als uns gegen die Eiswand zu pressen, in Deckung zu gehen und zu warten. Die Steine verfehlten mich. Gary bekam einen faustgroßen Stein auf den Rucksack, der abprallte und ins Leere stürzte. Kanakaredes wurde zweimal von größeren Steinen getroffen, einmal am linken oberen Bein oder Arm oder was es auch war, und dann noch einmal auf dem höckerigen Rückenwulst. Ich hörte beide Steine einschlagen, sie machten Geräusche wie ein Kieselstein, der auf Schiefer prallt.
    »Leck mich doch«, sagte K ziemlich deutlich, als noch weitere Felsen rings um ihn fielen.
    Als die Salve vorbei war und nachdem Paul Entschuldigungen herunter und Gary Verwünschungen hinaufgebrüllt hatte, arbeitete ich mich mit Tritten ins Eis die etwa zehn Schritte bis zu K hinüber, der mit erhobenem rechtem Unterarm dicht an der Eiswand stand, den Eispickel und die Zehenspitzen tief ins Eis gedrückt.
    »Bist du verletzt?«, fragte ich. Ich fürchtete, wir müssten vielleicht auf den roten Knopf drücken und die Wanze evakuieren lassen und unsere Kletterpartie wäre ruiniert.
    Kanakaredes schüttelte langsam den Kopf, aber er wollte damit nicht »nein« sagen, sondern seine Verfassung überprüfen. Es tat mir fast körperlich weh, ihn zu beobachten. Der dicke Kopf mit dem lächelnden Schnabel drehte sich um fast 270 Grad in beide Richtungen. Der freie Unterarm entfaltete sich, bog sich auf eine unmögliche Weise, und die langen, gelenklosen Finger klopften und tasteten behutsam den Rückenwulst ab.
    Klick. Seufz. Klick. »Mir ist nichts passiert.«
    »Paul wird sich jetzt auf dem Felsvorsprung vorsichtiger bewegen.«
    »Das ist sicher gut.«
    Paul war tatsächlich vorsichtiger, doch der Fels war verwittert, und es gab einige weitere Erdrutsche, zum Glück aber keine direkten Treffer mehr. Zehn Minuten später und sechzig oder siebzig Fuß weiter hatte er den Kamm des Grates und eine gute Sicherungsposition erreicht und rief uns herauf. Gary, der immer noch sauer war – es gab kaum etwas, was er mehr hasste, als mit Felsen eingedeckt zu werden, die jemand anders losgetreten hatte –, ging als Nächster hoch. Ich ließ Kanakaredes dreißig Fuß hinter Gary folgen. Die Klettertechnik der Wanze war wie aus dem Lehrbuch – nichts Besonderes eigentlich, aber durchaus brauchbar. Ich bildete den Abschluss und versuchte, nahe genug zu folgen, um losgetretene Felsbrocken rechtzeitig zu sehen. Dann standen wir alle auf dem Sims.
    Als wir endlich den Nordostgrat erreicht hatten und höher kletterten, fiel die Sichtweite auf null, die Temperatur sank um zwanzig Grad, der Schnee war schwer und pappig und glatt, und wir konnten hören, aber wegen des Nebels nicht sehen, wie vor und hinter uns auf der Ostflanke des K2 und auf unserem Hang Lawinen abgingen. Wir blieben angeseilt.
    »Willkommen auf dem K2«, rief Gary herunter, der inzwischen wieder die Führung übernommen hatte. Sein Anorak, die Kapuze und die Schneebrille und auch die nackte Haut bildeten eine entsetzlich aussehende Landschaft von Eiszapfen, die vom waagerecht wehenden Schnee fast verdeckt wurde.
    »Vielen Dank«, klickte und zischte K zurück. Meiner Ansicht nach klang es etwas förmlicher als sonst. »Es ist mir eine Freude, hier zu sein.«
     
     
    Camp Drei – unter einem Serac auf dem Kamm vor Beginn der steilen Traverse, 23.200 Fuß
     
    Drei volle Tage und Nächte hingen wir schon fest, die vierte Nacht stand bevor. Wir hockten untätig in unseren Zelten, aßen Konzentratriegel und kochten Suppe, die nicht ersetzt werden konnte, verbrauchten die Heizladung des Ofens, um Schnee zu schmelzen und Wasser zu gewinnen, und wurden wegen der Höhe und des Bewegungsmangels immer schwächer und verrückter. Der Wind heulte, und der Sturm tobte drei volle Tage lang – oder sogar vier, wenn man den Aufstieg vom Camp Zwei mitrechnet. Gestern versuchten Gary und Paul – Paul hatte auf dem unglaublich steilen Grat die Führung übernommen –, mit Gewalt die schwierige Traverse trotz des

Weitere Kostenlose Bücher