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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Schilde. Plötzlich kommt mir der Einfall, den Albaner dazu zu befragen, vielleicht weiß er etwas. Ich verhöre lieber ihn zuerst, und dann sehen wir mit der Karajorgi weiter. Zur Not leite ich in die Wege, woran ich am Morgen gedacht hatte: Thanassis auf sie anzusetzen, um ihr einige Informationen zu entlocken.
    In der Nacht träume ich von der Wohnung der beiden Albaner. Nur ihre Leichen sind nicht mehr dort, und über die Matratze ist eine Decke geworfen. Auf dem Klapptisch steht eine Tragetasche. Ich beuge mich darüber und sehe einen Säugling. Er ist nicht älter als drei Monate und bebt vor lauter Schreien. Vor dem Gaskocher sehe ich die Karajorgi, wie sie dem Wickelkind die Flasche wärmt.
    »Was machen Sie denn hier?« frage ich verwundert.
    »Ich bin hier als Babysitter engagiert«, entgegnet sie mir.

4
    Gerade habe ich mein Croissant angebissen und den ersten Schluck Kaffee getrunken, als Thanassis in mein Büro kommt. Er sieht mir in die Augen und grinst. Es handelt sich um einen der seltenen Augenblicke, wo er mir nicht sagt, daß er ein verdammter Wichser ist. Das passiert einmal im Jahr, höchstens zweimal.
    »Das ist für Sie«, meint er und streckt mir ein Blatt Papier entgegen.
    »Gut, laß es hier liegen.«
    Im Lauf der Jahre habe ich mir ein Prinzip zugelegt: die Papiere, die man mir übergibt, niemals unmittelbar entgegenzunehmen. Üblicherweise sind es Anweisungen, Verbote, Einschränkungen, irgend etwas Entnervendes. Deshalb lasse ich sie auf meinen Schreibtisch regnen und warte erst einmal ab, bis ich innerlich soweit bin, sie zu lesen. Thanassis läßt das Blatt jedoch nicht aus der Hand fallen. Er streckt es mir nach wie vor triumphierend entgegen: »Das Geständnis des Albaners.«
    Ich bleibe wie vom Blitz getroffen sitzen. Schließlich nehme ich die Aussage entgegen. »Wie hast du das denn geschafft?« frage ich, ohne meine Ungläubigkeit verbergen zu können.
    »Vlassis hat mir den Tip gegeben«, antwortet er lachend.
    »Vlassis?«
    »Das ist der Kollege, der die Untersuchungshäftlinge betreut. Wir tranken Kaffee in der Kantine, und da hat er mir erzählt, daß Sie den Albaner davon überzeugen wollten, daß er im Gefängnis besser dran ist. Ich habe mich hingesetzt, die Aussage getippt und sie ihn unterschreiben lassen.«
    Ich sehe mir die erste Seite an. Zwei Fingerbreit oberhalb des unteren Blattrandes erkenne ich eine Kinderzeichnung, die wie der Athener Imittos-Hügel aussieht. Es ist die Unterschrift des Albaners. Ich überfliege den offiziellen Teil und wende mich gleich der Aussage zu. Sie enthält ausnahmslos alles, was er mir gestern während des Verhörs erzählt hatte: daß er die junge Frau bereits von früher kannte und scharf auf sie war, daß er tagelang um das Haus schlich, sie ihn jedoch stets abwies. Er habe ihre Ablehnung persönlich genommen, sich entschlossen, in das Haus einzudringen und sie zu vergewaltigen. Er habe ein Brett aus dem Verschlag vor dem Fensterloch gelockert und sei hineingeschlüpft. Er habe angenommen, daß der Mann nicht zu Hause sei. Als er ihn an ihrer Seite liegen sah, sei er in Panik geraten. Und als der Mann sich auf ihn stürzte, habe er sein Messer gezogen und zuerst ihn abgestochen und dann die Frau. Eine klare und ordentliche Aussage, ohne Lücken oder offene Fragen. Nichts dran auszusetzen.
    »Bravo, Thanassis!« sage ich bewundernd. »Ein tadelloser Bericht.«
    Er sieht mich strahlend an. Da unterbricht uns das klingelnde Telefon. Ich hebe den Hörer ab.
    »Charitos.«
    Das ist eine dieser Reformen à la FBI , die Gikas angeordnet hat. Wir dürfen nicht mehr ›Hallo!‹ oder ›Ja?‹ oder ›Was denn?‹ sagen, sondern ›Charitos‹, ›Sotiriou‹, ›Papatriandafyllopoulos‹. Egal, ob die Verbindung zusammenbricht, bevor man ›Papatriandafyllopoulos‹ vollständig über die Lippen gebracht hat.
    »Was wissen Sie über das Kind?« Immer kurz angebunden und auf das Wesentliche beschränkt.
    »Es gibt kein Kind, Chef. Ich habe das Geständnis des Albaners vor mir liegen. Nirgendwo wird ein Kind erwähnt. Das bildet sich die Karajorgi bloß ein. Ihr eitler Ehrgeiz wird sie noch den Kopf kosten.«
    Das sage ich absichtlich, um ihn auf die Palme zu bringen. Denn er schätzt die Karajorgi sehr.
    »Er hat gestanden?« fragt er ungläubig.
    »Er hat gestanden. Ein Verbrechen aus Leidenschaft. Nirgendwo taucht ein Kind auf.«
    »Schön. Schicken Sie mir den Bericht. Und eine Zusammenfassung für die Pressemitteilung.« Er legt grußlos

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