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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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selig vor sich hin.
    Katerina studiert Jura in Thessaloniki. Sie ist im dritten Semester und hat alle Prüfungen ohne Ausnahme bestanden. Sie hat vor, Staatsanwältin zu werden. Innerlich flehe ich, daß ich dann noch nicht in Rente gegangen bin, damit ich ihr Angeklagte überstellen kann. Um dann unter den Zuhörern zu sitzen und stolz auf sie zu sein, wie sie die Anklageschrift verliest, die Zeugen befragt und ihr Plädoyer hält.
    »Ich muß ihr Geld für das Flugticket schicken.«
    »Nicht nötig, sie will mit dem Bus kommen, zusammen mit Panos«, entgegnet Adriani.
    Natürlich, da ist auch noch der Kleiderschrank, den hatte ich ja ganz vergessen. Oder vielmehr versuche ich mich nicht an ihn zu erinnern. Im Grunde ist er kein schlechter Kerl, er studiert Agrarökonomie. Was mich stört, ist, daß er ein athletischer Muskelprotz ist, der nur in T-Shirt, Jeans und Sportschuhen herumläuft. Diesen Typus kenne ich aus unserer Polizeitruppe, das sind alles Pfeifen. Was soll man machen, er gehört eben auch zur ›Generation der fünfzig Wörter‹. Ich nenne sie so, weil ihr Wortschatz auf alles in allem fünfzig Ausdrücke beschränkt ist. Wenn man ›Scheiß drauf‹, ›schwule Sau‹ und ›verdammter Wichser‹ abzieht, dann bleiben unter dem Strich siebenundvierzig Wörter übrig. Zu versteuerndes Reinvermögen: siebenundvierzig, wie der Steuerberater sagen würde. Ich erinnere mich an den Anfang der siebziger Jahre, an die Studentenproteste, die Besetzung der Universitäten, die Parole ›Brot, Bildung, Freiheit‹. Uns schickte man damals aus, die Studenten aufzuhalten und in die Flucht zu schlagen. Frontale Zusammenstöße, Verfolgungsjagden auf den Straßen, eingeschlagene Schädel. Sie verfluchten uns, und wir schickten sie zum Teufel. Woher sollte man damals wissen, daß die ganze Streiterei bei fünfzig Wörtern enden sollte. Vielleicht wären wir dann alle ganz friedlich nach Hause gegangen, weil es der Mühe nicht wert gewesen wäre.
    »Hättest du das Geld für das Flugticket überhaupt, oder müßtest du es dir erst leihen?« Sie fragt ganz unschuldig, doch ich sehe die Hinterlist in ihrem Blick.
    »Nein, ich hab’s flüssig«, antworte ich. »Ich habe etwas von den Gehaltsnachzahlungen auf die Seite gelegt.«
    »Da du es nicht für die Fahrkarte brauchst, könntest du es mir doch für das Paar Stiefel geben, von dem ich dir erzählt habe.« Sie läßt ein Lächeln aufblühen, das betörend sein soll, doch nur bauernschlau wirkt.
    »Laß mal, warten wir ab.« Ich werde ihr das Geld geben, doch ich lasse sie noch im unklaren, damit ich sie ein wenig auf die Folter spannen und meine Rachegelüste befriedigen kann. Die erste Phase des Familienlebens ist durch die Freude am Zusammensein gekennzeichnet. Die zweite Phase durch die Freude am eigenen Kind. Die dritte und längste besteht nur aus Rachefeldzügen. Wenn man so weit gekommen ist, weiß man, daß man endgültig im Hafen der Ehe eingelaufen ist und sich nichts mehr ändern wird. Dein Kind wird bald seine eigenen Wege gehen, und du wirst jeden Abend nach Hause kommen und wissen, daß deine Frau auf dich wartet, das Essen und die Rache.
    »Komm schon, Kostas, ich habe wirklich keine ordentlichen Stiefel!«
    »Mal sehen!« sage ich schroff und beende die Diskussion.
    Im Bett drängt sie sich an mich. Sie legt ihren Arm um meine Hüfte und beginnt mich zu küssen, aufs Ohr, auf den Hals. Ich rühre mich nicht. Sie legt ihren Schenkel auf mein Knie und beginnt ihn rauf- und runterzustreichen, vom Knie fast bis zum Bauchnabel und wieder retour.
    »Wieviel brauchst du für die Stiefel?« frage ich.
    »Ich habe ein sehr schönes Paar gesehen, aber der Preis ist ein wenig happig. Fünfunddreißigtausend. Aber die trage ich mehrere Jahre.«
    »In Ordnung, ich gebe dir das Geld.«
    Ihr Schenkel streicht noch ein letztes Mal nach unten, so wie der Fahrstuhl von der dritten Etage zum Erdgeschoß fährt, um dort endgültig stehenzubleiben. Sie zieht ihre Hand von meiner Hüfte zurück. Sie drückt mir einen Kuß auf die Backe und zieht sich sogleich in ihre Hoheitsgewässer zurück.
    »Gute Nacht«, sagt sie erleichtert.
    »Gute Nacht«, antworte ich, ebenfalls erleichtert, und schlage das Wörterbuch von Liddell-Scott auf, das ich vor dem Schlafengehen aus dem Regal geholt habe.
    Ich kann mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken sind bei der Karajorgi und bei ihrer fixen Idee bezüglich des Kindes. Sie kann nicht nur so daherreden, irgend etwas führt sie im

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