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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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die sich an der wohligen Wärme und nicht an der brütenden Hitze freuen. Die Alte betritt mit einem Teller voll Speisereste den Balkon. Sie stellt ihn vor die Katze. Sie wartet, daß sie die Augen aufschlägt und das Futter zur Kenntnis nimmt. Doch die Katze ignoriert sie völlig. Die Alte wartet geduldig, streichelt ihr den Kopf, redet schmeichlerisch auf sie ein, doch die Katze kümmert sich nicht die Bohne um sie. Schließlich läßt die Alte entmutigt den Teller stehen und geht ins Zimmer. Die Überheblichkeit der Katze, der man das Essen förmlich aufdrängt, führt meine Gedanken zurück zu den beiden Albanern. Ich sehe vor mir, wie sie auf ihrer nackten Matratze liegen, daneben der Klapptisch, die beiden Plastikstühle, die Gasflasche mit der Kochstelle. Nicht, daß ich übermäßige Sympathie für Albaner hege, doch dieser Gegensatz zur verwöhnten Katze bringt mich zur Weißglut. Und dann dieses verdammte schwüle Wetter! Man sehnt den erlösenden Regen herbei.
    Ruckartig geht die Tür auf, und die Karajorgi tritt ohne anzuklopfen ein. Sie scheint sich hier schon wie zu Hause zu fühlen. Vielleicht sollte ich ihr gleich den Schlüssel zu meinem Büro in die Hand drücken. Sie ist heute anders als das letzte Mal gekleidet: Sie trägt Jeans und eine Sportjacke. Die Jacke hat sie über ihre Handtasche, die ihr von der Schulter baumelt, gelegt. Sie schließt die Tür und lächelt mir zu. Ich sehe sie wortlos an. Wie gerne würde ich sie mit einer Schimpftirade empfangen, doch ein höherer Befehl hält mich zurück. Wir sollen die Reporter mit Glacéhandschuhen anfassen. Früher haben wir die Journalisten ganz anders behandelt.
    »Glückwunsch! Ich höre, der Albaner hat gestanden. Somit ist die Angelegenheit wohl erledigt.« Ihr Lächeln ist spöttisch, ihr Gesichtsausdruck arrogant. Sie nimmt mich auf die Schippe.
    »Wir haben den Fall aufgeklärt«, verbessere ich sie kühl. »So nennt man das im offiziellen Sprachgebrauch der Polizei. Den müßten Sie mittlerweile eigentlich beherrschen.«
    »Ich weiß sehr wohl, was ich sage«, entgegnet sie und blickt mich weiterhin mit diesem ironischen Lächeln an.
    Ich gehe zum Gegenangriff über, weil ich keinerlei Lust habe, Katz und Maus zu spielen. »Warum haben Sie gestern in Ihrer Berichterstattung gelogen?« frage ich sie. »Sie wissen genau, daß es kein Kind gibt und wir auch keinen Verdacht in diese Richtung hegen.«
    Sie lacht auf. »Macht nichts«, sagt sie leichthin. »Dementieren Sie ruhig.«
    »Warum haben Sie das gestern in den Raum gestellt?«
    »Was denn?«
    »Das mit dem Kind. Wieso bloß? Dachten Sie, irgend jemand wird schon nach dem Köder schnappen?«
    »Ich sagte doch schon: aus reiner Sympathie für dich«, duzt sie mich plötzlich. »Ich weiß, daß du mich nicht leiden kannst, aber das ist egal. Ich mag dich trotzdem. Ich stehe eben zu meinen Schwächen.«
    Sie hat es geschafft, mich durch ihre direkte Art in Verlegenheit zu bringen. »Weder finde ich Sie sympathisch, noch sind Sie mir unsympathisch«, meine ich in der Hoffnung, daß ich mich durch eine neutrale Haltung aus der Situation hinausmanövrieren kann. »Ihr Reporter fällt mir auf die Nerven, genauso wie ich euch auf den Geist gehe. Das ist Teil unserer Arbeit. Aber ich finde Sie nicht schlimmer als andere Ihrer Kollegen.«
    »Ich bin Ihnen sicherlich noch unangenehmer als alle anderen«, sagt sie immer noch lachend. »Mit Ausnahme von Sotiropoulos vielleicht.«
    Dem gewitzten Luder entgeht auch gar nichts.
    »Und warum finden Sie mich sympathisch?« frage ich, um mich aus der Situation zu retten.
    »Weil Sie der einzige hier drin sind, der noch ein bißchen Ahnung hat. Bilden Sie sich nur nichts darauf ein, das heißt nicht viel. Unter den Blinden ist der Einäugige König. Obwohl, diesmal sind selbst Sie mit Blindheit geschlagen.«
    Sie öffnet die Tür, entwischt mir schnell und beendet somit die Diskussion vorzeitig.
    Wieder läßt sie mich mit meiner Unwissenheit im Regen stehen. Hält sie mich zum Narren, oder weiß sie wirklich etwas, das sie geheimhält? Wenn sie wirklich etwas weiß und die Bombe nachträglich platzen läßt, dann werden alle über mich herfallen. Dann werde ich mich vor lauter Anrufen nicht retten können. Wenn ich wenigstens ein wenig zeitlichen Spielraum hätte! Gikas wird in Kürze seine Presseerklärung verlautbaren, die Akte wird morgen zum Staatsanwalt weitergeleitet, der höchstens zwei Tage braucht, um sie dem Untersuchungsrichter zuzustellen. Von

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