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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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hinaufführt und bis zur Straße nach Oropos reichen muß. Im Hintergrund erhebt sich ein Bauernhof oder vielmehr ein riesiger dreistöckiger Bau. Als hätte man einen mittelalterlichen Wehrturm aus der Mani nach Milesi verpflanzt. Ich kann meinen Gesichtsausdruck nicht im Rückspiegel erkennen, doch Sotiris’ Miene nach zu schließen, muß ich wie ein Vollidiot aussehen.
    »Wollen wir reingehen?« fragt er mich, als er sich von der ersten Überraschung erholt hat.
    »Wozu? Um zu fragen, wie es kam, daß er zufällig immer Schicht hatte, wenn die Kühlwagen der Transpilar eintrafen? Das Haus spricht für sich. Hast du jetzt geschnallt, warum ich hier herausfahren wollte? Um zu sehen, in was für einem Haus er wohnt.«
    Sotiris blickt mich an, er sagt kein Wort. Ich gebe Gas und beginne im Rückwärtsgang den Weg wieder hinunterzufahren. Nach einem kleinen Stück drehen die Reifen durch, und Sotiris steigt aus, um den Wagen anzuschieben. Sowie ich aufs Gas steige und Sotiris über der Motorhaube steht und schiebt, öffnet sich eines der Fenster von Chourdakis’ Gehöft, und eine Frau erscheint im Rahmen. Sie bleibt am Fenster stehen und beobachtet das traurige Schauspiel, das wir ihr bieten.
    »Forste gleich morgen Chourdakis’ ganzen Stammbaum durch«, sage ich zu Sotiris, als wir endlich wieder vor dem Kiosk eintreffen. »Finde alles über ihn heraus, über seine Frau, seine Kinder, sollte er welche haben, seine Eltern, sollten sie noch am Leben sein. Beantrage bei der Staatsanwaltschaft die Erlaubnis, die Bankkonten der ganzen Familie offenzulegen. Ich möchte wissen, welche Summen einbezahlt wurden, wann genau und von wem. Wir knöpfen ihn uns vor, sobald wir uns so weit kundig gemacht haben, daß wir ihn in die Mangel nehmen können.« Der Ausrutscher mit Petratos war mir eine Lehre, und ich will mich nicht an Chourdakis heranmachen, bevor ich nicht ausreichend Hinweise zusammengesammelt habe.
    Der Regen hat vollkommen aufgehört. Als wir wieder in den Kiefernwald eintauchen, öffne ich das Fenster und sauge in tiefen Zügen den Wohlgeruch ein, um meinen geplagten Lungen Frischluft zuzuführen.

34
    A m nächsten Morgen erscheine ich um halb neun, eine halbe Stunde früher als sonst, in unserer Dienststelle und begebe mich schnurstracks in das Kellergeschoß, wo sich das Archiv befindet.
    »Na, so ein glücklicher Zufall«, sagt Jannis zu mir, sobald er mich erblickt. »Ich wollte Sie gerade anrufen.«
    »Haben Sie etwas herausgekriegt?«
    »Ich bin die Liste der entlehnten Akten durchgegangen. Niemand hat die besagten Unterlagen seit ihrem Eingangsdatum ins Archiv angefordert. Das garantiere ich Ihnen.«
    »Vielen Dank, Jannis.«
    Wer auch immer die Berichte kopierte und an die Karajorgi weiterreichte, bediente sich direkt an der Quelle, noch bevor sie von unserer Dienststelle ins Archiv wanderten. Folglich reißt sich jemand aus unserer Abteilung einen erheblichen Gewinn unter den Nagel, indem er unsere dienstlichen Schreiben an den Höchstbietenden verscherbelt. Ich fühle, wie sich mein Magen zusammenkrampft. Die Akten verbleiben bis zu sechs Monate in unserer Dienststelle. Jeder hatte theoretisch in diesem Zeitraum Zugriff auf den Büroschrank, um nach Belieben zu fotokopieren und die Akten wieder an Ort und Stelle zurückzulegen. Nahezu unmöglich, das anscheinend gut getarnte schwarze Schaf in unserer Abteilung herauszufiltern.
    Als ich auf den Korridor trete, sehe ich, daß vor meiner Tür eine junge Frau auf mich wartet. Sie trägt ihr blondes Haar in einen Roßschwanz zusammengebunden. Obwohl sie flache Ballerinas trägt, muß sie an die eins siebzig groß sein. Also fast so groß wie ich. Sie trägt eine schwarze, sündteure Lederjacke und einen mit größter Sparsamkeit geschneiderten Minirock, der gerade mal den Hintern bedeckt. Aus dem Röckchen wachsen schlanke Beine, die an zwei langstielige Sektgläser erinnern. Als ich auf sie zu trete, bemerke ich, daß sie nicht älter als fünfundzwanzig sein kann.
    »Sind Sie Kommissar Charitos?« fragt sie, als ich in ihre Nähe komme.
    »Ja.«
    Sie ist vollkommen ungeschminkt und hat diesen unterkühlten Blick in ihren blauen Augen, der einen ganz schön in Verlegenheit bringen kann.
    »Ich bin Nena Delopoulou, die Tochter von Kyriakos Delopoulos. Ich möchte Sie gerne sprechen.«
    Mir war zu Ohren gekommen, daß Delopoulos eine Tochter hatte, doch in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir nicht so ein Rasseweib vorzustellen gewagt. »Kommen Sie

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