Hellas Channel
derzeit in der Abteilung bezüglich des Falles in aller Munde ist.
Ich komme nicht darum herum, in die Haftanstalt nach Korydallos zu fahren, um vor Ort herauszufinden, was geschah. Ich stelle mir die Anfahrt vor, und ein Schwindelgefühl erfaßt mich. Doch es bleibt mir nichts anderes übrig.
Vom Alexandras-Boulevard bis zum Larissis-Bahnhof krieche ich zwar nur im Schrittempo, doch immerhin komme ich vom Fleck. Als ich in den Konstantinopoleos-Boulevard einbiege, treffe ich auf eine Autokolonne von einem Kilometer Länge, die alle zehn Meter ins Stocken gerät. Fahrzeuge bleiben mitten auf den Fußgängerübergängen stecken und blockieren die Einfahrten, die aus den Nebenstraßen Kommenden hupen wie besessen – der reinste Hexenkessel. Bis ich die Ralli-Straße erreiche, ist mein Hirn zur Größe eines fauligen Blumenkohls geschrumpelt. Sovatzis, der Albaner, selbst Nena Delopoulous Beine – alles ist mir restlos entfallen. Der Mirafiori hält solche Strapazen nicht mehr lange aus, und es steht zu befürchten, daß er mich mitten auf der Straße im Stich läßt.
In der Ralli-Straße normalisiert sich der Zustand langsam, und der Mirafiori kommt wieder ins Rollen. In der Grigori Lambraki-Straße ebbt die Hektik des Straßenverkehrs weiter ab. Innerhalb einer Viertelstunde bin ich beim Eingangstor der Strafvollzugsanstalt in Korydallos eingetroffen.
Als ich dem Gefängnisdirektor den Grund meines Kommens darlege, zuckt er bloß ratlos mit den Schultern. »Da kann ich Ihnen kaum weiterhelfen. Alles deutet darauf hin, daß es sich um einen ganz gewöhnlichen Streit handelte, der in einer Messerstecherei endete.«
»Sind Sie sicher, daß sich weiter nichts dahinter verbarg?«
»Wie kann ich mir dessen sicher sein? Diese Leute verständigen sich untereinander in ihrer Muttersprache. Und unsere Landsleute wollen mit ihnen nichts zu schaffen haben. Der Täter war draußen der Anführer einer Bande, die ihre eigenen Landsleute ausraubt und kaltmacht. Im Gefängnis ging er derselben Tätigkeit nach. Offensichtlich kam ihm das Opfer nicht entgegen und machte Schwierigkeiten. So brachte er ihn um. Danach ließ er sich die Rechtfertigung einfallen, daß er ihn bestohlen habe.«
»Und woher hatte er das Messer?«
»Er behauptete, er habe es aus der Küche gestohlen.« Sein Auflachen zeigt, daß er nicht daran glaubt. »Wir haben ihn hier in Isolationshaft untergebracht. Wollen Sie mit ihm sprechen?«
Was sollte er mir schon sagen? Selbst wenn er ein gedungener Mörder war, würde er auf seiner Version der Geschichte beharren und keinen Deut davon abrücken.
So wie auch Shehi. »Nein. Ich würde aber gerne einen Blick auf die persönlichen Gegenstände des Opfers werfen.«
»Kommen Sie bitte mit.«
Er führt mich in einen Lagerraum, in den die persönlichen Dinge des Albaners gebracht wurden. Als ich sie erblicke, bleibe ich mit offenem Mund stehen. Nagelneue Unterwäsche, frische Socken, zwei neu gekaufte Hemden, ein Paar Schuhe, kaum getragen, und eine brandneue Sportjacke. »Wie kam er denn an all das?« frage ich den Direktor. »Als er unsere Abteilung verließ, trug er eine schäbige Jacke und geflickte Jeans.«
»Ich kann mal nachfragen, möglicherweise wurde ihm alles von einem Besucher überbracht.«
»Eine Brieftasche, haben Sie eine Brieftasche bei ihm gefunden? Geldbeträge?«
»Nein, doch wenn er etwas bei sich hatte, dann muß es sich zusammen mit der Kleidung, die er anhatte, im Allgemeinen Staatlichen Krankenhaus in Nikaia befinden.«
Aus den Nachforschungen des Gefängnisdirektors geht hervor, daß er während seines ganzen Aufenthalts keinen einzigen Besuch empfangen hat.
Ich schlage wieder den Weg über die Lambraki-Straße ein, in größerer Sorge als zuvor. Die neue Kleidung bestärkt die Auffassung, daß der Albaner getötet wurde, um keine Aussage mehr machen zu können. Wenn sich dieser Saftsack vollkommen neu einkleiden konnte, bedeutet das, daß ihn jemand für seine Mühe bezahlte. Und die einzige Mühe, der er sich unterzogen hatte, war die Ermordung des Ehepaars. Nun ist es relativ einfach zu klären, wie er an das Geld herankam, ohne irgendeinen Besucher zu empfangen. Es wurde ihm durch einen Strafvollzugsbeamten überbracht. Beim ersten Verhör blieben die Hintermänner ruhig, da er mich überzeugen konnte, daß er die Tat aufgrund der jungen Frau begangen hatte. Man bezahlte ihn und machte sich weiter keine Gedanken. Als ihn jedoch die Untersuchungsrichterin zu einem
Weitere Kostenlose Bücher