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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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halten«, sage ich ironisch zu ihr. »Sie hatten Besuch.«
    Ein sorgenvoller Schatten huscht über ihr Gesicht, doch sie hält ihre Augen fest auf mich gerichtet und blickt mich mißtrauisch an. »Was für Besuch?«
    »Ein Ehepaar. Wir sagten ihnen, daß Sie nicht da seien, und sie zeigten großes Interesse an einem der Kinder im Laufstall. Sie haben es in den Arm genommen, gestreichelt und geherzt.«
    Ihr Blick tastet mein Gesicht nach irgendeiner Reaktion ab, um zu erraten, worauf ich hinauswill. Doch es bleibt ausdruckslos. Schließlich entschließt sie sich zu einem Lächeln. »Das werden die Eltern gewesen sein«, sagt sie. »Davon rede ich doch schon die ganze Zeit. Sie sind wohl zu Besuch gekommen.«
    »Dann dürfte es sich um Albaner mit Oxfordakzent handeln. Meinen Informationen nach hätte man sie ohne weiteres für Engländer halten können.«
    »Es waren Albaner«, sagt sie trotzig. »Bloß Ihre Leute mit ihren paar dürftigen Brocken Englisch haben sie für Engländer gehalten.«
    Sie weiß nicht, daß mich ihre Worte persönlich treffen. »Nun, Tantchen«, sage ich abschätzig zu ihr, um ihr die Beleidigung heimzuzahlen, »die Märchenstunde ist ein für allemal vorüber. Warum sagen Sie nicht die Wahrheit, damit wir alle nach Hause gehen können? Solange Sie den Mund halten, werden wir weiter ermitteln und Ihnen zu guter Letzt doppelt soviel zur Last legen.«
    »Es waren Albaner und die Eltern des Kindes. Sie haben sie erschreckt, und da haben sie sich aus dem Staub gemacht. Begreifen Sie, was Sie mir antun? Sie ruinieren mir meinen Lebensunterhalt!«
    Vermutlich war mit dem Ehepaar abgesprochen, nur mit ihr selbst Kontakt aufzunehmen, und sie ist sicher, daß sie nicht wiederkommen werden. Deshalb stellt sie sich dermaßen quer.
    »Haben Sie mit Ihrem Rechtsanwalt gesprochen?«
    »Hab ich.«
    »Und hat er Ihnen nicht mitgeteilt, daß es zu Ihrem Nutzen wäre, wenn Sie die Wahrheit sagten?«
    »Die Wahrheit hat nur ein Gesicht. Das, welches ich Ihnen schon so oft beschrieben habe. Dasselbe habe ich ihm auch gesagt.«
    »Von Ihrem Freund, Gustav Krenek, haben Sie ihm auch von dem erzählt?«
    »Er ist kein Freund von mir. Er ist mit meinem Bruder befreundet. Ich habe ihn nur ein einziges Mal gesehen, als er damals nach Athen kam.«
    Sie hat ihr Selbstvertrauen wiedergefunden. Ich erhebe mich.
    »Möchten Sie, daß ich jemanden benachrichtige, der Ihnen frische Wäsche bringt?«
    »Wozu?« fragt sie hellhörig.
    »Weil Sie, wie ich die Lage einschätze, noch ein ganzes Weilchen hier verbringen werden«, entgegne ich und verlasse den Raum.
    Ich könnte alle Hotels nach ausländischen Ehepaaren abklappern und sie erkennungsdienstlich behandeln lassen. Doch mir ist klar, daß Gikas das nicht genehmigen wird. Er wird mir sagen, wir hätten keine konkreten Hinweise. Wir würden nur sämtliche ausländische Botschaften auf die Barrikaden treiben und dem Tourismusgeschäft schaden.

38
    W ir sitzen beide Gikas gegenüber. Pylarinos beugt sich über die beiden von der Karajorgi zusammengestellten Verzeichnisse, die eine mit den Transplantationspatienten und die andere mit den Kühltransporten und den Flugankunftszeiten. Er hat sie nebeneinandergelegt, obwohl sie nichts miteinander zu tun haben, und studiert sie aufmerksam. Er hat weißes, schütteres Haar, trägt einen Nadelstreifenanzug, ein hellgraues Hemd und eine dunkle Krawatte. Ich sitze neben ihm, halte Karajorgis Aktenordner offen auf meinen Knien und beobachte, wie er reagiert.
    Gikas hatte das Treffen gestern arrangiert. Er rief mich zu Hause an, gegen halb zehn, als ich gerade dabei war, meine Zeit mühsam vor der Mattscheibe totzuschlagen, indem ich mir eine heitere Fernsehserie ansah. Eine von denjenigen, die einem das Lachen für mindestens eine Woche austreiben. Üblicherweise meide ich solche Serien wie der Teufel das Weihwasser, doch es war der erste Abend, den ich allein zu Hause verbrachte. Mit der Ehefrau verkracht zu sein und sie mit eisigem Schweigen zu strafen, ist etwas völlig anderes, als mutterseelenallein zu Hause zu sitzen. Das eine gehört zum Spiel und kann als Intermezzo gesehen werden. Das andere ist tödlich, vorwiegend wenn man jahrelang verheiratet ist und über kein Privatleben mehr verfügt. Zu allem Überfluß stellte ich mir vor, wie Adriani im selben Moment ausführlich mit Katerina plauderte, weshalb ich in eine noch tiefere Melancholie versank. Mein Trauerzustand nahm solche Ausmaße an, daß ich nicht einmal in der

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