Hellas Channel
möchte von ihm die Daten der jüngsten Ankünfte von Kühltransporten der Transpilar aus Albanien in Richtung Griechenland erfahren. Der letzte, höre ich, passierte vor vier Tagen die Grenze, der vorletzte vor einer Woche. Mit einem von beiden war eine Ladung Kinder unterwegs, aufgrund dessen auch die Engländer in Dourous Kindergarten auftauchten. Man bringt zuerst die Kinder ins Land, und einige Tage darauf treffen die potentiellen Adoptiveltern mit einem Charterflug oder einer Reisegruppe ein. Offenbar führen sie in ihrem Reisepaß bereits ein Kind an, und wenn sie hier ankommen, nimmt sie ein Vertreter von Prespes Travel in Empfang und erledigt die Zollformalitäten. Ein Charterflug oder eine Reisegruppe wird stets kollektiv abgefertigt, keiner interessiert sich dafür, festzuhalten, ob bei der Einreise tatsächlich ein Kind dabei ist. Dann nehmen sie das Kind von hier mit und reisen hocherhobenen Hauptes aus. Das hat die Karajorgi ans Tageslicht gebracht und mit Hilfe der Liste gegengeprüft. Ob ich will oder nicht, ich muß vor Sovatzis’ genialem Organisationstalent den Hut ziehen. Er hat gleich zwei illegale Handelsunternehmen auf die Beine gestellt – die Ausfuhr von Transplantationspatienten und die Einfuhr potentieller Adoptivkinder. Und beide finden unter der schützenden legalen Dachorganisation von Pylarinos’ Unternehmensgruppe ihren Platz. Pylarinos verfügt über international tätige Unternehmen, und Sovatzis steht ihm in nichts nach. Ein tadelloser Schachzug.
Und wie förderte die Karajorgi all das ans Tageslicht? Das werde ich wohl niemals erfahren, doch ich kann es mir zusammenreimen. Auf der Gruppenreise, die sie mit ihrer Schwester und ihrer Nichte unternommen hatte, war sie zufällig auf das Geschäft mit den Transplantationen gestoßen, worauf sie ihre Nachforschungen begann. In der Folge lief ihr die Dourou mitsamt ihrem rein albanischen Kindergarten über den Weg. Ihr schwante, daß sie einer heißen Sache auf die Spur gekommen war, und sie verstärkte ihre Ermittlungen.
Sotiris reißt mich aus meinen Gedanken. »Die Chourdaki ist mit ihrem Sohn gekommen.«
»Bring sie rein.«
Die Chourdaki geht auf die Fünfzig zu. Sie ist gut im Futter und trägt zudem einen pistazienfarbenen Mantel, der sie noch draller wirken läßt. Sie ist geschmückt wie ein Pfingstochse. Goldene Halskette, goldene Armreifen, goldene Ohrringe und an jedem Finger ein Haufen Ringe. Was sie in ihren Jugendjahren entbehrte, hängt sie sich nun alles auf einmal um, um auf ihre alten Tage mit den vom Schicksal Begünstigten gleichzuziehen. Der Sohn verkörpert das andere Extrem. Man stellt sich einen Jungmanager mit Anzug und Krawatte vor, doch er tritt mit Vollbart, dicker Sportjacke, Jeans und Turnschuhen auf.
»Wo ist Ihr Mann?« frage ich die Chourdaki unvermittelt.
»Er ist gestern verreist. Das habe ich dem Herrn Kriminalobermeister schon gesagt.« Sie erscheint verängstigt und beunruhigt. Den Gesichtsausdruck des Sohnes kann ich nicht erkennen, da er sich unter dem Vollbart verbirgt.
»War diese Reise geplant, oder hat er sich spontan dazu entschlossen?«
»Nein, er hatte sie vor einigen Tagen festgesetzt.«
»Und wohin ist er gefahren?«
»Nach Mazedonien … Thrakien … Genaues hat er mir nicht gesagt.«
»Wie stehen Sie mit ihm in Verbindung?«
»Er meldet sich von unterwegs.«
Der Sohn verfolgt das Gespräch, ohne einzugreifen. Nur sein Blick springt zwischen seiner Mutter und mir hin und her.
»Er ist ständig unterwegs und hat dafür nicht seinen eigenen Wagen genommen, sondern öffentliche Verkehrsmittel?«
»Er nimmt niemals seinen Wagen, wenn er außerhalb Athens zu tun hat. Er fährt nicht gerne Auto.«
Wem versuchst du denn diesen Bären aufzubinden, sage ich zu mir selbst. Er hat ihn nicht genommen, weil wir ihn mit dem Wagen sofort ausfindig gemacht hätten. Während das mit öffentlichen Verkehrsmitteln wesentlich schwieriger ist.
Der Sohn beschließt sich in das Gespräch einzumischen. »Ich verstehe das alles nicht, Herr Kommissar. Ist es verboten, daß mein Vater auf Reisen geht?«
Ich nehme die Fotokopie seines Kontoauszugs in die Hand und überreiche sie ihm. »Können Sie mir sagen, woher die Summen über zweihundert- und dreihunderttausend Drachmen stammen?« frage ich ihn.
Ich weiß nicht, ob er mich überhaupt gehört hat, denn er ist gänzlich in den Anblick seines Kontoauszugs versunken. »Wo haben Sie denn den her?« fragt er mich nach einer Weile, als könne er
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