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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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lachen. Immer wieder tappe ich in dieselbe Falle. Anfangs sage ich mir noch, daß ich mich in die Sache nicht reinhängen werde. Doch dann beginnt der Holzwurm im Gebälk zu arbeiten. Vielleicht weil mich das Büro anödet oder weil noch ein kleiner Überrest kriminalistischer Neugier in mir steckt, der noch nicht von der ganzen Routine aufgefressen wurde. Dann ergreift mich manchmal die Lust, tätig zu werden. Ich schickte also die Beschreibung des Albaners, die mir die Dicke gegeben hatte, über Funk an andere Polizeidienststellen. Meistens muß man in solchen Fällen nicht lange suchen. Man braucht nur bestimmte Athener Plätze abzuklappern, den Omonia-Platz, den Vathis-Platz, den Kotzia-Platz, den Koumoundourou-Platz, den Bahnhofsplatz der Hochbahn in Kifissia, eben ganz bestimmte Athener Plätze … Die Welt ist wie ein zoologischer Garten unter umgekehrten Vorzeichen. Wir Menschen sind in Käfige eingesperrt, und die Tiere streifen auf den Plätzen umher und beobachten uns. Trotzdem hatte ich so eine Vorahnung, daß unsere Suche diesmal erfolglos bleiben würde. Ich hatte nicht die geringste Hoffnung, ihn zu finden. Erstaunlicherweise bekamen wir ihn aber nach drei Tagen expreß aus Loutsa zugeschickt.
    Die Dicke tanzte in derselben Aufmachung wie am Tatort an. Nur trug sie diesmal ein Paar altmodische hochhackige Schuhe, deren Absätze bei jedem ihrer Schritte unter ihrem Gewicht einzuknicken drohten. Die Stöckel bogen sich gefährlich nach innen, dann wieder bereuten sie die unerwartete Nähe, rissen sich voneinander los und bogen sich nach außen. »Der ist es!« rief sie aus, als sie den Albaner erblickte. Ich glaubte ihr aufs Wort und dankte Gott dem Herrn, daß ich sie nicht zur Nachbarin hatte und tagein, tagaus vor ihr Revue passieren mußte. Ihr entging nichts.
    Aus diesem Grund also zitierte mich der Chef zu sich. Um mich zu fragen, wie das Verhör voranging. Und deshalb hatte mir Thanassis das Frühstück nicht gebracht. In der sicheren Annahme, daß ich alles stehen- und liegenlassen würde, um zum Chef zu laufen.
    »Deine Aufgabe ist es, mir mein Croissant und meinen Kaffee zu bringen. Wann ich zum Chef gehe, entscheide ich selbst«, sage ich unwirsch zu ihm und vergrabe mich in meinen Bürosessel, um zu signalisieren, daß ich mich den ganzen Morgen über nicht aus dem Büro rühren werde.
    Das Grinsen verschwindet schlagartig von seinen Lippen. Seine ganze Selbstsicherheit ist wie weggeblasen. »Ja, jawohl«, stottert er.
    »Bist du noch nicht fort?«
    Er macht auf der Stelle kehrt und stürzt aus dem Büro. Ich warte eine Minute, dann stehe ich auf, um zum Chef zu gehen. Thanassis ist imstande, mich zu verpfeifen und weiterzutratschen, daß ich dem Chef die kalte Schulter zeigen wollte. Der Chef ist mit allen Wassern gewaschen und hat überall seine Finger drin. Der kann einem schaden, wenn er will. Außerdem ist er auch noch komplexbeladen. Da gebe ich lieber klein bei.

2
    M ein Büro hat die Nummer 321 und liegt in der dritten Etage. Das Büro des Leitenden Kriminaldirektors liegt in der fünften. Der Fahrstuhl hat seine Macken. Je nachdem schwankt die Wartezeit zwischen fünf und zehn Minuten. Wenn man ungeduldig wird und ununterbrochen auf den Knopf drückt, dann kann es bis zu einer Viertelstunde dauern. Man hört ihn schon in die zweite Etage hochächzen und jubelt bereits, doch plötzlich macht er reuevoll kehrt und fährt wieder abwärts. Manchmal packt mich die Wut, und ich beginne in Riesensätzen die Treppen hochzulaufen. Nicht etwa, weil ich es so eilig hätte, sondern weil ich meinen Ärger loswerden muß. Manchmal packt mich der Trotz, und ich frage mich: Wozu renne ich mir wie ein Irrer die Hacken ab? Es beeilt sich ja auch sonst keiner! Selbst die automatische Tür des Fahrstuhls hat man so eingestellt, daß sie im Schneckentempo aufgeht.
    In der fünften Etage sind die höheren Chargen untergebracht. Man hat sie vermutlich dort zusammengezogen, damit sie kollektiv ihre Denkarbeit verrichten können. Oder damit man sie kollektiv von uns anderen absondert, um zu verhindern, daß sie uns von der Arbeit abhalten. Das kommt auf den Blickwinkel an.
    Das Büro des Leitenden Kriminaldirektors trägt die Nummer 504, doch an der Tür steht keine Zahl. Er hat sie abmontieren lassen. Er fühlte sich wahrscheinlich wie in einem Krankenhaus oder einem Hotel, und nicht wie unser Chef. Statt dessen ließ er ein Schild anbringen: Nikolaos Gikas – Leitender Kriminaldirektor . »In Amerika

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