Hellas Channel
Etage eines vierstöckigen Mietshauses. Es handelt sich um ein rasch hochgezogenes Gebäude, dessen Verfall bereits eingesetzt hat. Die Balkone weisen Stahlgeländer und Geranien auf. Der Bauherr sparte am Geländer und die Mieter geizen mit den Geranien. Ich ersuche den mich begleitenden Kriminalhauptwachtmeister, auf irgendeine andere Klingel zu drücken. Nicht, daß wir annehmen, daß Petros Kolakoglou zu Hause sei. Doch man kann nie wissen. Möglicherweise warnen wir ihn unwissentlich, und er ergreift die Gelegenheit und geht uns durch die Lappen.
Die zweite Etage weist vier Wohnungen auf. Die der Kolakoglou befindet sich gleich neben dem Fahrstuhl. Sie öffnet sofort die Tür, als hätte sie uns erwartet. Sie ist eine verhutzelte Weißhaarige, die ganz in Schwarz gekleidet ist. Vielleicht trauert sie um ihren Gatten. Vielleicht trauert sie aber auch wegen des Ungemachs, das ihr seit vier Jahren das Leben schwermacht. Mein Gesicht sagt ihr nichts, doch sobald sie die anderen in Uniform erblickt, erbleicht sie. Ich schiebe sie beiseite und betrete die Wohnung.
»Durchsucht alles!« sage ich mit unbarmherziger Miene zu den anderen. »Stellt die Bude auf den Kopf!«
Doch was sollten sie schon auf den Kopf stellen, alles in allem ist es eine Dreizimmerwohnung mit einem Wohnzimmer, zwei Schlafzimmern, Küche und Bad, bestenfalls siebzig Quadratmeter. Das eine Schlafzimmer gehört der Mutter, das zweite dem Sohn. Ich betrete das zweite. Das Bett ist mit einem Überwurf bedeckt, darauf liegt ein besticktes Kissen. Auf der Kommode steht ein Wecker und ein kleines batteriebetriebenes Radio, daneben liegt eine Schachtel Schlaftabletten. Ich öffne den Einbauschrank. Drei Anzüge, nicht aus dem Kostümverleih, sondern von der Stange, und fünf Hemden, die Sotiropoulos niemals tragen würde. Nicht von Armani, sondern billige Massenware. Alles ist schön säuberlich aufgehängt, und dazwischen ist genügend Platz, damit nichts verknittert. Die Pedanterie der Hausfrau.
»Er ist nicht hier. Ich schwöre es«, höre ich ihre weinerliche Stimme hinter mir sagen.
Ich drehe mich abrupt um. »Wo ist er?« fahre ich sie an.
»Ich weiß nicht.«
»Sie wissen es sehr wohl und verschweigen es uns.«
»Aber nein, ich schwöre es Ihnen. Ich weiß es wirklich nicht. Ich mache mir Sorgen.«
»Wenn Sie sein Bestes wollen, dann legen Sie ihm nahe, daß er sich nicht verstecken soll, denn so bringt er sich um Kopf und Kragen. Damit steuert er geradewegs auf eine lebenslängliche Haftstrafe zu.«
»Warum sollte er lebenslänglich bekommen? Was hat er denn getan?«
Ich entgegne nichts, weil ich keine Antwort darauf weiß. »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
»Am Tag, als sie die –« Karajorgis Name will ihr nicht über die Lippen kommen. »Am Tag, als sie die da umgebracht haben. Er war schon am frühen Nachmittag außer Haus gegangen. Am Abend wartete ich auf ihn, doch er kam nicht. Er rief mich an und sagte, daß es ihm gutgehe und ich mir keine Sorgen machen solle.«
»Um welche Uhrzeit rief er an?«
»Ungefähr um ein Uhr nachts. Ich hatte mich schon hingelegt, und der Anruf riß mich aus dem Schlaf.«
Er hatte Sperantzas’ ›Dokumentation‹ gesehen und es vorgezogen, augenblicklich unterzutauchen. Weil er die Karajorgi auf dem Gewissen hatte oder weil er wegen der Fernsehmeldung erschrocken war und sich postwendend einen Unterschlupf suchen wollte?
»Wo könnte er sich denn versteckt halten? Bei Freunden oder Verwandten?«
»Wir haben niemanden mehr. Alle haben uns die Tür vor der Nase zugeschlagen. Wir sind allein wie zwei aus dem Nest verstoßene Vögel.« Ihr verhutzelter Körper krümmt sich, und sie beginnt zu weinen. »Nicht einmal einen Monat lang konnte er in seiner alten Wohnung bleiben. Dann bin ich aus unserer alten Wohngegend weggezogen. Dahin, wo uns niemand kennt, damit er in eine neue Umgebung kommt und die ganze Sache vergißt. Und nach nicht einmal einem Monat ist er wieder zu einem gejagten Tier geworden.«
»Wo haben Sie vorher gewohnt?«
»In Keratsini. Aber dort zeigte man mit dem Finger auf mich, und ich hielt es nicht länger aus.«
Der Kriminalhauptwachtmeister tritt ein und bedeutet mir, daß sie nichts gefunden haben. Ich hatte es auch nicht anders erwartet. Es war bloß ein Kunstgriff. Wenn sie nämlich ein Journalist befragen sollte, wird sie sagen, daß wir da waren und alles durchsucht haben. Damit stopfe ich einige Lästermäuler, ganz in Gikas’ Sinn.
»Sagen Sie Ihrem
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