Hellas Channel
Kolakoglous Charakter paßt zum Charakter von Karajorgis Mörder. Man kann sich auch weniger gestelzt ausdrücken. Paßt aber tatsächlich der eine zum anderen? Mit Ausnahme der ausgestoßenen Drohung, die in der Charakterstudie nichts zu suchen hat, paßt nichts weiter zusammen. Sotiropoulos hat recht. Kolakoglou soll zum kaltblütigen Mörder, der kleine Kinder mit Bonbons und Schokolade anlockte, abgestempelt werden. Aber abgesehen davon, daß er ein Alibi nachweisen und uns somit dumm dastehen lassen könnte, gibt es einen weiteren wunden Punkt: Dem Obduktionsbefund zufolge müßte der Täter hochgewachsen und kräftig gebaut sein. Was mir Markidis in der Tatnacht erläutert hatte, war auch in seinem Bericht schwarz auf weiß zu lesen. Kolakoglou ist ein verschrumpelter Gnom, ganz wie seine Mutter. Woher konnte er die Kraft nehmen, der Karajorgi einen solchen Stoß zuzufügen? Dennoch: Sollte sich am Schluß herausstellen, daß doch Kolakoglou der Mörder war, wäre es nicht das erste Mal, daß der Gerichtsmediziner danebengetippt hätte.
Das profile – ich gewöhne mich lieber gleich an diese neumodische Bezeichnung, weil sie mir früher oder später ohnehin um die Ohren fliegen wird – paßt eigentlich viel besser auf Petratos. Zunächst einmal hat er genau die richtige Körpergröße. Er ist ungefähr eins achtzig groß und kräftig. Er wirkt zwar schlaff und aufgedunsen, doch so viel Kraft wird er schon haben, um Karajorgis Brust mit dem Scheinwerferständer zu durchbohren. Das erklärt auch, warum er kein Messer, keine Pistole noch sonst eine Waffe benutzte. Petratos ging nicht mit einer vorgefaßten Mordabsicht zu ihr. Er entschloß sich spontan dazu, der Ständer war gerade zur Hand, und er durchbohrte sie damit. Er hatte ein Motiv, da ihn die Karajorgi in eine böse Falle gelockt hatte. Doch dasselbe Motiv hatte auch Kolakoglou, dem sie ein paar Jahre zuvor ein Bein gestellt hatte. Die Karajorgi kannte beide und wäre nicht überrascht gewesen, sie vor sich zu sehen. Mit Kolakoglou allerdings hätte sie sich bestimmt vorgesehen, da er sie bedroht hatte. Doch ihre hochfahrende Selbstsicherheit war dermaßen ausgeprägt, daß sie möglicherweise jede Vorsichtsmaßnahme in den Wind schlug.
Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Ich wundere mich, denn von Adriani bin ich keine solchen Höflichkeiten gewohnt. Als sich die Tür öffnet, blickt mich Thanassis mit verlegenem Grinsen an.
»Entschuldigen Sie vielmals, doch Ihre Frau sagte mir, daß Sie noch wach sind.«
Ich springe aus dem Bett. »Was ist los?«
»Nichts Besonderes«, entgegnet er abschwächend. »Ich war einfach nur in der Nähe und dachte, ich könnte Sie bei der Gelegenheit über den Fall Kolakoglou auf dem laufenden halten.«
Von Zeit zu Zeit bringt er solche Aktionen. Er legt einen übertriebenen Diensteifer an den Tag, um bei mir einen Stein im Brett zu haben. Aber nur, wenn gewiß ist, daß ihn sein Eifer keine anstrengenden Laufereien kosten wird und seine bequeme Bürotätigkeit nicht auf dem Spiel steht.
Ich führe ihn ins Wohnzimmer. Adriani hat damit gerechnet, daß wir rüberkommen würden, und den Fernseher ausgeschaltet. Sie umgarnt Thanassis mit süßen Worten und Höflichkeitszeremonien. Sie fragt ihn, wie es ihm gehe, sie bietet ihm eine Tasse Kaffee und in Sirup eingelegte Früchte an. Mich würdigt sie weder eines Blickes noch einer Tasse Kaffee.
»Mit Kolakoglou haben wir uns ins eigene Fleisch geschnitten«, sagt Thanassis, als Adrianis Zeremoniell beendet ist. »Bis um sechs Uhr sind ungefähr dreißig Telefonanrufe bei uns eingegangen. Fünfundzwanzig Ortsgespräche und zwei Anrufe aus Thessaloniki, einer aus Larissa, einer aus Kastoria und einer aus Rhodos.«
»Was hast du denn erwartet, wo man ihn doch an den Meistbietenden versteigert? Hat sich irgend etwas Neues ergeben?«
Er sieht mich schweigend an. Augenscheinlich hält er einen Rohrkrepierer in petto, den er für einen Volltreffer hält, und bereitet sich darauf vor, ihn mir zu präsentieren. »Ein Angestellter an den Kartenschaltern am Fernbusbahnhof in Kifissos hat ihn erkannt.«
»Wann?«
»Gestern. Wenn ich mich recht erinnere, hat er eine Fahrkarte nach Thessaloniki gelöst.« Das also war es. Kein Volltreffer, nur ein Blindgänger. Jedenfalls fährt Thanassis ungehindert fort: »Die Anrufer aus Thessaloniki dürften also recht haben.«
»Sowie auch die aus Rhodos«, antworte ich ungerührt. »Denn von Thessaloniki aus hat er ein
Weitere Kostenlose Bücher