Hellas Channel
Gift genügen, um ihre Wirkung zu tun. Wenn demnächst herauskommen sollte, daß Kolakoglou möglicherweise einem abgekarteten Spiel zum Opfer gefallen ist, dann ist ein Teil der Öffentlichkeit bereits darauf vorbereitet.
Ich schalte genau zum richtigen Zeitpunkt zum Hellas Channel . Martha Kostarakou wendet gerade seelische Foltermethoden bei Kolakoglous Mutter an, die im Türrahmen ihrer Wohnung steht. Sie stellt ihr genau meine Fragen und erhält auch dieselben Antworten. Ich denke daran, ihr einen Arbeitsplatztausch vorzuschlagen. Dann könnte ich sechshunderttausend im Monat nach Hause tragen.
»Wissen Sie, daß die Polizei Ihren Sohn sucht?«
»Ich weiß. Sie war gestern morgen hier und hat alles auf den Kopf gestellt.« Ich beglückwünsche mich selbst. Es ist genau das eingetreten, was ich vorausgesehen hatte. »Was hat er denn getan, daß man ihn sucht?« fährt die Kolakoglou fort.
»Haben wir nicht schon genug durchgemacht? Lassen Sie uns doch endlich in Frieden.« Ihr Groll gegen uns überträgt sich nahtlos auf die Kostarakou.
»Die Polizei glaubt, daß Ihr Sohn Janna Karajorgi getötet hat. Was haben Sie dazu zu sagen?«
Ich springe in die Höhe, wie von einer Tarantel gestochen. Wann haben wir verbreitet, daß wir Kolakoglou für Karajorgis Mörder halten? Der Sender will ihn doch zum Mörder abstempeln und schützt unsere Aktivitäten bloß vor. Plötzlich steht eine ganz andere Kostarakou vor mir. Sie versucht, die Karajorgi nachzuahmen, aber ihr fehlt deren Gewandtheit und angeborenes Draufgängertum. Sie übertrumpft sie einzig und allein an Härte und Unmenschlichkeit. Die Alte beginnt zu weinen. Ein schallgedämpftes Weinen, wie eine traditionelle Totenklage auf dem Dorf.
»Mein Sohn hat niemanden umgebracht. Mein Petros ist kein Mörder. Reicht es nicht, daß er grundlos so viele Jahre gesessen hat? Was wollen Sie ihm noch alles anhängen?«
Die Kostarakou blickt sie überrumpelt an. Das Spatzenhirn vermeint auf eine brandheiße Spur gestoßen zu sein. »Was wollen Sie damit sagen, Frau Kolakoglou? Daß Ihr Sohn unschuldig im Gefängnis saß?«
»Fragen Sie diejenigen, die ihn erst ins Gefängnis gebracht und sich danach seine Existenzgrundlage unter den Nagel gerissen haben. Was die Journalistin betrifft, die ihn ausgeliefert hat, kann ich sagen, ich freue mich nicht, daß sie tot ist, doch es gibt schließlich doch eine göttliche Gerechtigkeit.« Sie sagt es und bekreuzigt sich, während Tränen ihre Wangen herabkullern.
Ob Delopoulos und Petratos wohl gemerkt haben, daß sie Sotiropoulos’ Spiel mitgespielt haben? Als hätte Sotiropoulos Kostarakous Reportage vorausgeahnt und rechtzeitig dafür gesorgt, daß das Augenmerk auf das verdächtige Schweigen der Eltern gelenkt wurde, damit sie ins Zwielicht gerieten. Fälschlicherweise nenne ich ihn immer Robespierre. Sein richtiger Name wäre Rasputin.
»So will man Kolakoglou finden?« fragt mich ironisch Thanassis, der die Nachrichten neben mir auf dem Sofa mitverfolgt hat.
»Ja, begreifst du denn gar nichts?« entgegne ich. »Sie wollen Kolakoglou ja gar nicht finden. Es kommt ihnen doch nur gelegen, wenn er verschollen bleibt und sie Öl ins Feuer gießen können.«
Er sieht mich an, als hätte ich ihm eine große Weisheit eröffnet, die er zu entschlüsseln versucht.
»Was, du bist immer noch hier?« sage ich abrupt. »Los, zurück ins Büro und setz die Nachforschungen fort. Sucht alle Cafés, alle Bars, alle Treffpunkte der Unterwelt ab. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er tagsüber untertaucht und nachts unterwegs ist.« Er schreckt sofort hoch, verabschiedet sich hastig und verschwindet. Möglich, daß Sotiropoulos recht hat. Möglich aber auch, daß Gikas richtigliegt: Wir sollten ihn lieber vorerst einbuchten und dann weitersehen.
Auf dem Küchentisch liegt nur ein Gedeck. Eine Kochplatte ist in Betrieb, und darauf steht ein vor sich hin köchelnder Topf. Ich hebe den Deckel und erblicke die gestrige Reispfanne mit Spinat. Seinem Schicksal kann niemand entrinnen. Ich schöpfe ein wenig auf meinen Teller und setze mich zum Essen an den Tisch. Währenddessen überlege ich, daß Petratos als erster zur Jagd auf Kolakoglou geblasen hat. Wenn er die Karajorgi auf dem Gewissen hat, dann hat er es wissentlich getan, um von sich selbst abzulenken und sich aus der Affäre zu ziehen. Dieser Gedanke veranlaßt mich, mein Essen stehenzulassen. Auch egal, Spinatreis verursacht mir ohnehin Brechreiz.
20
T hanassis schwört Stein
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