Helle Barden
eine Freundin gefunden hast. Das klang so, als…«
»Schon ein kurzes Lecken würde mir genügen.«
»Klappe.«
»Die allgemeine Unzufriedenheit ist allein Lord Vetinaris Schuld«, sagte
der Herzog von Eorle. »Der Mann hat keinen Stil! Wegen ihm leben wir
nun in einer Stadt, in der Kaufleute ebensoviel Einfluß haben wie Baro-
ne. Er hat sogar zugelassen, daß sich die Klempner in einer Gilde zusammenschließen! Meiner bescheidenen Meinung nach ist das gegen die Na-
tur.«
»Es wäre nicht so schlimm, wenn er ein gesellschaftliches Beispiel gä-
be«, verkündete Lady Omnius.
»Oder wenn er endlich beschlösse, richtig zu regieren«, fügte Lady Se-
lachi hinzu. »Aber er läßt den Leuten praktisch al es durchgehen.«
»Ich gebe zu, die alten Könige entsprachen nicht unbedingt unseren
Vorstel ungen, zumindest nicht die letzten«, sagte der Herzog von Eorle.
»Aber meiner bescheidenen Meinung nach symbolisierten sie wenigstens
etwas. Damals hatten wir eine anständige Stadt. Die Leute waren re-
spektvoll und kannten ihren Platz in der Gesellschaft. Sie arbeiteten,
anstatt dauernd auf der faulen Haut zu liegen. Wir öffneten die Tore
nicht jedem Pöbel. Und wir hatten das Gesetz. Das stimmt doch,
Hauptmann?«
Hauptmann Samuel Mumm blickte aus gläsernen Augen am linken
Ohr des Sprechers vorbei.
Zigarrenrauch hing dick und fast reglos in der Luft. Mumm wurde sich
vage bewußt, daß er mehrere Stunden damit verbracht hatte, zuviel zu
essen, noch dazu in der Gesel schaft von Leuten, die er nicht mochte.
Er sehnte sich nach dem Geruch feuchter Straßen und dem Gefühl
von Kopfsteinen unter dünnen Sohlen. Ein Tablett vol mit der Verdau-
ung förderlichen Getränken schwebte um den Tisch herum, doch
Mumm hatte bisher darauf verzichtet, nach einem der Gläser zu greifen
– um Sybil nicht zu verärgern. Sie war bemüht, ihren Unwillen nicht zu
zeigen, womit sie die latente Gereiztheit des Hauptmanns stimulierte.
Die Wirkung von Bärdrückers Leckertropfen ließ immer mehr nach,
und Mumm verabscheute es, nüchtern zu sein – dann wurde er nach-
denklich. Einer der ihn bedrängenden Gedanken teilte folgendes mit: Es
gibt überhaupt keine »bescheidene Meinung«.
Er hatte kaum Erfahrung mit den Reichen und Mächtigen. Das galt
auch für seine Kol egen. Nicht, daß die Reichen und Mächtigen etwa
weniger dazu neigten, die Gesetze zu brechen. Von Reichen und Mächti-
gen verübte Verbrechen befanden sich vielmehr so weit über dem nor-
malen Niveau der Kriminalität, daß Männer mit billigen Stiefeln und
rostenden Kettenhemden nichts damit zu tun bekamen. Zum Beispiel
war es völ ig legal, hundert Baracken in den Slums zu besitzen; doch wer
in ihnen wohnte, machte sich dadurch fast strafbar. Es verstieß nicht
gegen das Gesetz, ein Assassine zu sein – die Gilde ließ darüber nichts
verlauten, aber ein wichtiger Qualifikationsfaktor für die Mitgliedschaft war die Abstammung, aus einer »feinen Familie«. Wenn man genug Geld
hatte, verübte man keine Verbrechen mehr, höchstens amüsante kleine
»Jugendsünden«.
»Ganz gleich, wohin man schaut: Überall hochnäsige Zwerge, arrogan-
te Trolle und respektlose Bürger«, sagte Lady Selachi . »Inzwischen leben in Ankh-Morpork mehr Zwerge als in manchen ihrer eigenen Städte –
oder wie sie ihre Löcher nennen.«
»Was meinst du, Hauptmann?« fragte der Herzog von Eorle.
»Hmm?« Mumm nahm eine Weintraube und drehte sie langsam hin
und her.
»Was hältst du von dem gegenwärtigen ethnischen Problem in der
Stadt?«
»Haben wir eins?«
»Nun… denk nur an den Steinbruchweg! Dort wird jeden Abend ge-
kämpft!«
»Und die Kerle haben überhaupt keinen Sinn für Religion!«
Mumm betrachtete die Weintraube. Am liebsten hätte er folgende
Antwort gegeben: Natürlich kämpfen sie. Schließlich sind es Trolle. Sie hauen sich gegenseitig Knüppel auf den Schädel – weil sich Trolle vor
al em mit Körpersprache verständigen und… äh… gern brül en. Nur der
Mistkerl Chrysopras macht manchmal Probleme, indem er Menschen
nachäfft und zu schnel lernt. Und was die Religion betrifft: Trollgötter schwangen bereits ihre Keulen, als wir erst noch lernen mußten, daß
man Steine nicht essen kann.
Dies al es wollte Mumm sagen, doch die Erinnerung an den toten
Zwerg weckte etwas Gemeines in ihm.
Er legte die Traube auf das Tablett zurück.
»Stimmt haargenau«, schwadronierte er. »Meiner Ansicht nach sol te
man die
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