Helle Barden
Torte klatschte neben Colons Füßen auf den Boden.
»Es ist traurig, nicht wahr?« bemerkte Nobby.
Die Tür öffnete sich etwa zwanzig Zentimeter weit. Ein kleiner Clown
sah zum Feldwebel empor.
»Hal o, hal o, hal o«, sagte er. »Warum hat der Dicke an die Tür ge-
klopft?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Colon automatisch. »Warum hat der Dicke an die Tür geklopft?«
Sie starrten sich an, in der Pointe verheddert.
»Das habe ich dich gefragt«, sagte der Clown vorwurfsvoll. Seine Stimme klang deprimiert und hoffnungslos.
Feldwebel Colon beschloß, in der Sphäre der Vernunft zu bleiben.
»Ich bin Feldwebel Colon von der Nachtwache«, sagte er. »Das hier ist
Korporal Nobbs. Wir sind hier, um mit jemandem über den Mann zu
sprechen, der… im Fluß gefunden wurde.«
»Oh«, sagte der Clown. »Ja. Der arme Bruder Beano. Bitte kommt her-
ein.«
Nobby wol te die Tür ganz aufdrücken, doch Colon hinderte ihn daran
und deutete nach oben.
»Für gewöhnlich lauert ein Eimer mit weißer Tünche über der Tür«,
sagte er.
»Tatsächlich?« entgegnete der Clown. Er war klein und trug geradezu
riesige Stiefel, die ihn wie ein großes L aussehen ließen. Auf seinem Ge-
sicht klebte fleischfarbene Schminke, und über den Brauen bewirkten
falsche Falten eine übertrieben gerunzelte Stirn. Sein rotgefärbtes Haar
schien von einigen alten Mops zu stammen. Dick war der Clown nicht,
aber Reifen in der weiten Hose sollten ihn auf eine humorvolle Art über-
gewichtig erscheinen lassen. Durch einen Hosenträger aus besonders
elastischem Gummi hüpfte die Hose bei jedem Schritt auf und ab. Dies
al es formte den Gesamteindruck eines bemitleidenswerten Hohlkopfes.
»Ja, tatsächlich«, sagte Colon.
»Bist du sicher?«
»Und ob.«
»Tut mir leid.« Der Clown seufzte. »Ich weiß, daß es dumm ist, aber
die Tradition verlangt es so. Wartet einen Augenblick.«
Eine Trittleiter wurde in Position gebracht, anschließend ertönte ein
von Flüchen untermaltes Klappern.
»Jetzt könnt ihr hereinkommen.«
Der Clown führte die beiden Wächter durchs Pförtnerhaus. Al es blieb
still, abgesehen vom rhythmischen Klatschen der großen Schuhe auf
dem Kopfsteinpflaster. Nach einer Weile schien der junge Narr eine Idee
zu haben.
»Ich weiß, es ist sehr unwahrscheinlich, aber möchte vielleicht jemand
von euch an meinem Knopfloch schnuppern?«
»Nein.«
»Nein.«
»Dachte ich mir.« Der Clown seufzte erneut. »Es ist nicht leicht, wißt
ihr. Das Leben eines Clowns, meine ich. Derzeit bin ich mit Pförtner-
dienst bestraft.«
»Ach?«
»Ich hab’ immer wieder vergessen, ob man draußen weinen und drin-
nen lachen muß oder umgekehrt. Ich bring’s dauernd durcheinander.«
»Was Beano angeht…«, begann Colon.
»Wir bestatten ihn gerade«, sagte der kleine Clown. »Deshalb hängt
meine Hose auf Halbmast.«
Sie traten wieder ins Tageslicht.
Clowns und Narren standen auf dem Innenhof. Glöckchen läuteten.
Sonnenschein schimmerte auf roten Nasen, funkelte gelegentlich in ei-
nem nervösen Wasserstrahl, der aus einem falschen Knopfloch spritzte.
Der Clown geleitete die Wächter zu einigen Narren.
»Herr Weißgesicht empfängt euch bestimmt, sobald die Zeremonie zu
Ende ist«, sagte er. »Ich heiße übrigens Boffo.« Hoffnungsvol streckte er die Hand aus.
»Schüttel sie nicht«, warnte Colon.
Boffo war sehr enttäuscht.
Mit Musik kam eine Prozession von Gildenmitgliedern aus der nahen
Kapel e. An der Spitze watschelte ein Clown mit einer Urne.
»Das ist alles sehr ergreifend«, behauptete Boffo.
Auf einem Podium an der gegenüberliegenden Seite des Platzes stand
ein besonders dicker Clown. Seine Aufmachung bestand aus der obliga-
torischen weiten Hose, enormen Hosenträgern, einer Fliege, die sich im
Wind drehte, und einem Zylinder. Auf sein Gesicht war eine Kummer-
miene geschminkt. In der einen Hand hielt er einen Stock, an dem eine
Blase befestigt war.
Der Clown mit der Urne erreichte das Podium, stieg die Treppe hoch
und wartete.
Die Musik verklang.
Der Zylinder-Clown holte aus und hämmerte die Blase auf den Kopf
des Urnenträgers: einmal, zweimal, dreimal…
Der Urnenträger trat vor, winkte mit der Perücke und griff mit der
freien Hand nach dem breiten Hosenbund des Zylinder-Clowns. Betont
würdevol schüttete er den Inhalt der Urne – die Asche des verstorbenen
Beano – in die Hose des anderen Clowns.
Das Publikum seufzte kol ektiv. Wieder ertönte Musik,
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